Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
…«
»Was?« platzte Seregil heraus.
»Das ist die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, daß alle Teile vorhanden sind«, fuhr Nysander fort. »Arkoniel glaubte, dies wäre der einzig gangbare Weg, und ich glaube, daß er recht hatte. Wenn das, was Reynes í Maril weitergab, den Tatsachen entspricht, dann dauert es eine gewisse Zeit, bis die Macht des Helmes zur Geltung kommt, und noch länger, bis sie sich ganz und gar entfaltet. Deshalb haben wir eine kurze Weile Gelegenheit zuzuschlagen, nachdem er wieder zusammengesetzt ist. Als der Hüter verpflichte ich euch bei eurem Leben und eurer Ehre, alles zu tun, was nötig ist, um die Macht des Helmes zu vernichten. Schwört ihr mir das?«
»Du hast meinen Eid darauf.« Micum streckte die Hand aus. Nysander ergriff sie, und die beiden schauten zu Seregil. Der zögerte und spielte immer noch mit dem Kieselstein, als ihn ein unerklärliches Gefühl des Zweifels überkam.
»Seregil?« Nysander musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
Seregil schüttelte seine Besorgnis ab, warf den Stein beiseite und legte die Hände auf die ihren. »Du hast mein Wort …«
Sobald die Hände sich berührten, zuckte ein stechender Schmerz gleich einem Pfeilschaft durch seine Brust. Keuchend preßte er eine Hand auf die Narbe.
Micum schob Seregils Arm beiseite, öffnete die Jacke und entfernte behutsam den Verband. »Du blutest wieder«, sagte er und zeigte Seregil und Nysander das frische Blut auf dem Leinenlappen.
»Alles in Ordnung«, beruhigte ihn Seregil heiser. »Die Wunde muß aufgebrochen sein, als ich mich bewegt habe.«
»Schaut!« rief Nysander aus und deutete auf den nächtlichen Himmel.
In der Ferne zeichnete sich ein roter Feuerschweif vor dem hellen Hintergrund der Sterne im Osten ab.
»Rendels Speer!« keuchte Micum.
Eine Weile blickten sie schweigend zu dem Kometen empor, dann sagte Nysander leise: »Die Totenbeschwörer nennen ihn anders.«
»Ja? Wie?«
»Met’ar Seriami«, antwortete der Magier. »Der Arm des Seriamaius.«
43
Nach Norden
»Met’ar Seriami!«
Mardus, der auf der vorderen Kampfplattform stand, zeichnete sich als dunkle Silhouette vor dem letzten Licht der untergehenden Sonne ab, als er mit der Hand auf einen feurigen Punkt am Horizont deutete. Siegesjubel erhob sich von seinen Männern.
Die am nahen Ufer versammelte Menschenmenge wiederholte den Ruf, schwenkte Fackeln und schoß brennende Pfeile in die Luft über der Bucht. Trommeln ertönten in der Dunkelheit.
Noch bevor Alec an Deck gebracht wurde, war ihm unangenehm aufgefallen, daß sich der gewöhnliche Lauf der Dinge an Bord verändert hatte. Zum einen hatte Mardus an jenem Vormittag ihren Spaziergang ausfallen lassen. Zum anderen hatten die Wachen Alec einen langen Kittel gebracht, das erste Kleidungsstück, das ihm seit seiner Gefangennahme gewährt wurde. Während der Tag sich schier unendlich hinzog, fühlte er, daß auch die Bewegung des Schiffes sich änderte, und nahm an, sie näherten sich der plenimaranischen Küste. Wie sich an jenem Abend herausstellte, hatte er recht. Als Thero und er schließlich an Deck gestoßen wurden, lag die Kormados vor einem trostlosen Ufer vor Anker. Trostlos, aber nicht unbewohnt. Er erblickte eine Art Lager und schwarz uniformierte Männer, die das Schiff aufgeregt anriefen.
Auf dem Schiff selbst knisterte Erwartung in der Luft. Jeder schien den östlichen Horizont zu beobachten, als die Sonne unterging. Endlich zeigte sich der Komet zusammen mit den Sternen, ein roter Lichtpunkt, der sich unter dem zunehmenden Mond deutlich abzeichnete, und das große Jubelgeschrei brach los.
Alec, der streng bewacht an Deck stand, beugte sich dichter zu Thero und flüsterte: »Schau dort. Ein Unglücksstern. Siehst du ihn?«
»Unglücksstern für euch vielleicht!« höhnte Hauptmann Tildus verächtlich. »Für uns großes Zeichen. Lord Mardus und voron haben sagen, heute nacht soll solches Zeichen sein.«
»Was hat Mardus zuvor gerufen – ›Medeseri‹?« fragte Alec.
»Met’ar Seriami.« Tildus suchte nach den skalanischen Worten, um es Alec zu erklären. »Das heißt ›Der Arm von Seriami‹. Ein sehr großes Zeichen, ich schon sagen.«
»Seriami? Was ich Seriamaius nenne?« Ein undeutliches Gefühl der Vorahnung überkam Alec, als Tildus nickte. »Aura Elustri malr …«
»Hör auf das«, knurrte Tildus und packte Alec grob am Arm. »Deine irren Götter nicht sein hier. Seriami ißt Herzen der Ungläubigen.«
Es waren
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