Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Mardus.
In der nächsten Nacht zeigte sich Ashnazai nicht. Dicht an Theros schlafende Gestalt gekuschelt, starrte Alec in die Schatten hinaus und stählte sich gegen neue Schrecken, welche auch immer ihm bevorstehen mochten.
Der Mond ging auf. Die Sterne funkelten träge hinter den Zweigen, doch nichts störte die Stille ringsum. Eine laue Frühlingsbrise blies durch das Geäst und trug ihm den Geruch von Harz, feuchtem Moos und zarter, grüner Kräuter zu, die aus dem lehmigen Waldboden sprossen. Alec schloß die Augen und stellte sich vor, mit dem Bogen in der Hand durch die bewaldeten Hügel zu streifen, wie er es oft mit seinem Vater getan hatte. Ungeachtet seiner Furcht schlummerte er ein und träumte vom Jagen, von Waldpfaden und von Freiheit.
Der geflüsterte Klang seines Namens weckte ihn. Eine dunkle Gestalt stand am Karren und winkte ihn an die Gitter.
Mißtrauisch duckte sich Alec. »Was willst du?«
»Alec, ich bin’s«, erwiderte der Mann leise. Er schob die Kapuze zurück, woraufhin der Mondschein sein Antlitz erhellte.
»Seregil!« stieß Alec heiser aus. Er kroch hinüber und streckte seinem Freund die Hand entgegen. Seregil ergriff sie und drückte sie an die Lippen. Er fühlte sich echt, greifbar, warm an. Ohne auf die Tränen der Erleichterung zu achten, die ihm über die Wangen rollten, umklammerte Alec seinen Freund. »Ich hätte nie gedacht … Wie hast du uns gefunden?«
Seregil griff durch die Stäbe und nahm das Gesicht des Jungen in beide Hände. »Keine Zeit für Erklärungen, talí. Ich muß dich da raus holen.« Zögernd ließ er Alec los und ging zur Hinterseite des Karrens, um das Schloß zu überprüfen.
»Sei vorsichtig. Vargûl Ashnazai hat es mit irgendeinem Bann belegt.«
Seregil schaute auf. »Wer?«
»Der Totenbeschwörer, der in Wolde bei Mardus war. Und er ist nicht der einzige Totenbeschwörer hier. Sie haben sogar einen Dyrmagnos dabei.«
»Bei Bilairy! Aber es muß eine Möglichkeit geben. Ich lasse dich auf keinen Fall hier zurück!«
Alecs Herz hämmerte wild in der Brust, während er beobachtete, wie Seregil das Schloß untersuchte. Es war eine Qual, ihm so nah und doch von ihm getrennt zu sein.
»Ah, da ist etwas …«, setzte Seregil an, doch just in diesem Augenblick flammte Fackellicht hinter ihm auf.
»Seregil, paß auf!«
Als er sich umwandte, erblickte er Vargûl Ashnazai, der sie in Begleitung eines halben Dutzends bewaffneter Soldaten boshaft angrinste.
»Wie überaus schlau von dir, daß du uns gefunden hast«, meinte der Totenbeschwörer verzückt. »Diese Leistung verdient wahrlich Anerkennung. Und dein Junge hat seine Rolle sehr überzeugend gespielt, oder?«
Seregil warf Alec einen verdutzten Blick zu.
Dieser anklagende Blick stellte bislang den schwersten Schlag für Alec dar; er schnürte ihm die Kehle zu, so daß er nur ein flehentliches Kopfschütteln zustande brachte.
Seregil zog das Schwert und sprang vom Karren und Ashnazais Männern weg. Doch in den Schatten lauerten ihm bereits weitere Soldaten auf.
Alec warf sich gegen die Gitterstäbe und beobachtete voller Entsetzen, wie Seregil um sein Leben kämpfte. Er durchbohrte eine Wache und schlitzte einer anderen den Hals auf, ehe die übrigen ihn von hinten überwältigten, zu Boden schleuderten und niederdrückten.
Der Totenbeschwörer bellte einen Befehl, woraufhin die Soldaten Seregil auf die Beine zerrten. Sein Antlitz präsentierte sich blutverschmiert, dennoch hatte er das Haupt stolz erhoben und spuckte Ashnazai mit haßerfüllt funkelnden Augen an.
Ashnazai erteilte einen weiteren Befehl. Diesmal schleiften die Wachen Seregil zum Bärenkarren und banden ihn mit dem Gesicht zu Alec an den Händen und Füßen am Käfig fest.
»Ich schwöre, ich hab’ ihnen nicht geholfen«, flüsterte Alec heiser. »O Seregil, ich …«
»Es spielt keine große Rolle – jetzt nicht mehr«, knurrte Seregil und wandte den Kopf ab.
»Nicht die geringste«, pflichtete der Totenbeschwörer ihm bei und stieg mit Seregils Schwert in der Hand hinter ihm auf den Karren. »Schade, daß du verletzt worden bist, aber andererseits hätte ich ohnehin kaum gewagt, euch beide wieder zusammenzustecken.« Er packte Seregil an den Haaren und riß seinen Kopf zurück. »Wer weiß, was für Unfug ihr angestellt hättet.«
Damit trat er einen Schritt zurück, setzte die Spitze des Schwertes in Seregils Kreuz an und begann, langsam zu drücken und die Klinge herumzudrehen.
Seregil stieß einen
Weitere Kostenlose Bücher