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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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und Knien kroch er weiter und fand bald ein zweites, dann ein drittes.
    Mit Hilfe seiner beiden Gefährten legte er insgesamt vierzehn Löcher frei, die einen gleichmäßigen Abstand aufwiesen und dicht oberhalb der Flutgrenze einen Halbkreis um eine breite, flache Senke in der Felsoberfläche bildeten. Die Stelle wirkte unauffällig und war übersät mit Treibholz, Muschelschalen, getrocknetem Seetang und anderem Unrat, aber die beiden geheimnisvollen Felsspalten verliefen quer darüber.
    »Da habt ihr euren Tempel!« verkündete Seregil.
    »Ich glaube, du hast recht«, bestätigte Nysander und sah sich erstaunt um.
    »Im Augenblick befindet sich die Stelle über der normalen Gezeitenlinie, aber der Unrat läßt darauf schließen, daß die höchste Flut sie erreicht. Es ist eine Art natürliches Becken.«
    »Es muß von den Menschen verwendet worden sein, die diese Inschriften geschaffen haben«, mutmaßte Nysander. »Ich frage mich, wofür wohl die Löcher sind.«
    »Also setzen die Sonnenfinsternis und die Flut, die dieses Ding da füllt, zur selben Zeit ein«, stellte Micum fest und half Seregil, die Löcher wieder so zu bedecken, wie er sie vorgefunden hatte.
    »Der Höchststand der Tide tritt ein paar Minuten nach Vollendung der Sonnenfinsternis ein«, berichtigte der Magier. »Was bedeutet, daß Mardus nur eine kurze Weile bleibt, um sein Ritual durchzuführen, bevor die Sonne sich wieder zeigt. Je seltener die Konstellation, desto mächtiger ihre Wirkung, wird gemeinhin angenommen. Da in diesem Fall auch noch der Komet hinzukommt, wage ich zu behaupten, daß es sich um eine außerordentlich machtvolle und gefährliche Konstellation handelt. Und daß sich alles auf einen bestimmten Ort konzentriert, verstärkt das Ganze noch.«
    »Bei der Flamme!« murmelte Micum. »Und wir drei sollen es mit alldem und wer weiß wie vielen Plenimaranern aufnehmen?«
    »Vier«, verbesserte Seregil düster und warf Nysander einen jähen Blick zu. »Wenn die Zeit reif ist, sollten vier von uns zur Stelle sein.«

 
45
Vergeltung
     
     
    Für Alec verstrich die Zeit wie ein zäher Alptraum. Tagsüber rumpelte und polterte der Karren über die rauhe Küstenstraße, der die Kolonne folgte. Die berittene Eskorte schenkte ihm so gut wie keine Beachtung. Statt dessen unterhielten sich die Soldaten untereinander in ihrer eigenen Sprache. Da er nur Thero als Gesellschaft hatte, verbrachte Alec die Tage damit zu dösen und die vorüberziehende Gebirgslandschaft zu betrachten.
    Und sich vor dem Einbruch der Dunkelheit zu fürchten.
    Nachts wurde der Bärenkarren ein wenig abseits des Lagers abgestellt. Alec entwickelte bald ein Grauen vor dem Augenblick, in dem die Wachen in den Schatten verschwanden, denn dies war das Zeichen, daß Vargûl Ashnazais Fest der Alpträume begann. Später, nachdem die letzten Schrecken vorüber waren und Alec nur noch einem verängstigten, haßerfüllten Häufchen Elend glich, kehrten die Wachen stets wieder, und der Rest der Nacht verstrich vergleichsweise friedlich.
    In der zweiten Nacht erschienen Diomis und seine Mutter mit den Schädeln unter den Armen im Karren und schleuderten ihm Flüche und Anschuldigungen an den Kopf. Alec wußte, daß es sich nur um Trugbilder handelte, doch ihre Anklagen wiegelten seine eigenen Zweifel so sehr auf, daß sie dennoch wirklichen Schmerz verursachten. Er wandte ihnen den Rücken zu, stopfte die Finger in die Ohren und versuchte, den Knüffen und Stößen ihrer kalten, geisterhaften Hände keine Beachtung zu schenken.
    Es hatte keinen Sinn, sich zu wehren – sie waren masselos wie Luft. Statt dessen rollte er sich in seiner Not noch enger zusammen und wartete, bis Ashnazai des Spielchens überdrüssig wurde.
    Nachdem es vorüber war, lag Alec ganz still und lauschte den leisen Geräuschen der Nacht – dem Jagdruf einer Eule, dem fernen Schnauben von Pferden, dem kaum vernehmbaren Gemurmel der Wachen, die zurückgekommen waren, sobald Ashnazai von dannen zog.
    Wohin waren sie bloß unterwegs? überlegte er und ließ seine Gedanken ziellos wandern.
    Eine bessere Frage: Weshalb waren sie überhaupt unterwegs?
    Seine Augen weiteten sich, während er in den nächtlichen Himmel emporstarrte. Sooft Ashnazai ihn gequält hatte, sowohl auf dem Schiff als auch hier, hatte er es ohne Zeugen getan. Dies schien eine Vermutung zu bestätigen, die Alec bereits seit längerem hegte. Vargûl Ashnazai wollte nicht, daß irgend jemand von seinem Treiben erfuhr, ganz besonders nicht

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