Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
schwache Licht des Wachfeuers und untersuchte die Eisenschellen um die Handgelenke des jungen Zauberers.
Sie wiesen keine Nahtstellen auf und waren vermutlich auf magische Weise angelegt worden. Zwar lagen sie zu dicht an, um sie über Theros Hände zu streifen, aber sie ließen sich ohne weiteres an den knochigen Handgelenken drehen. Alec konnte mühelos einen Finger in den Abstand zwischen Arm und Schelle stecken.
Wahrscheinlich, dachte er grimmig bei sich, hatten die Schellen dichter angelegen, bevor zwei Wochen voll Mißhandlungen und kärglichen Mahlzeiten ihren Tribut forderten. Anscheinend hatte dies niemand berücksichtigt, nicht einmal Mardus.
Als er aufschaute, sah er, daß Thero ihn anstarrte; eine eisige Hand schien Alecs Herz zu umschließen. Irtuk Beshar hatte den jungen Magier schon einmal in eine sprechende Marionette verwandelt; wer war es nun, der ihn mit diesen benebelten Augen musterte?
»Thero«, flüsterte er und ergriff eine der kalten Hände seines Gefährten. »Erkennst du mich? Verstehst du, was ich sage?«
Thero zeigte keine Anzeichen von Begreifen, doch sein starrender Blick blieb unverändert.
Alec schüttelte den Kopf und fühlte sich in seinem Entschluß bestärkt. Sie hatten nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Sollte der Dyrmagnos ihn tatsächlich durch Theros Augen beobachten und Mardus alarmieren, würde er einfach ein paar Tropfen seines eigenen Blutes vergießen und sie zwingen, ihn heute nacht zu töten.
»Ich habe die Schnauze voll, Thero. Ich habe es satt, mich wie ein Schaf zur Schlachtbank führen zu lassen«, fuhr er leise fort, riß einen Streifen von seinem Kittel ab und stopfte ihn rings um das Mundstück des Zaums. Thero leistete keinen Widerstand, als Alec den groben Knebel anbrachte.
»Du mußt jetzt leise sein, egal, was als nächstes passiert, in Ordnung? Hörst du? Egal was passiert, keinen Mucks.«
Alec stand auf und packte Theros Daumen mit festem Griff. Dann setzte er den Fuß an der Brust des jungen Magiers an, holte tief Luft, riß mit aller Kraft an den Daumen und drehte sie dabei. Er hatte Seregil einmal bei diesem Trick beobachtet, selbst aber nie den Mumm oder die Gelegenheit gehabt, ihn zu versuchen.
Zu seiner Erleichterung und seinem Erstaunen sprangen beide Gelenke auf Anhieb sauber heraus, und Theros dünne Hände falteten sich auf grausige Weise in sich zusammen, so daß Alec die Schellen abstreifen konnte. Für Rücksicht war keine Zeit; zum Glück hielten die für Theros Benommenheit verantwortlichen Zauber an, bis die zweite Schelle ab war. Als sie über das Handgelenk schlüpfte, gab Thero ein ersticktes Stöhnen von sich, klappte vornüber gegen Alecs Knie und hob die schlaffen Hände an die Brust.
Das Wiedereinrenken der Gelenke erwies sich als weniger einfach. Alec konnte fühlen, wie die Knochen unter der Haut hin und herrutschten, während er zog und zerrte und versuchte, sie zurück in die Pfannen zu drücken. Er hörte, wie Theros Atem rauh um den Knebel herumpfiff, während der junge Magier sich bemühte, nicht laut aufzuschreien. Bis endlich wieder alles in Ordnung gebracht war, präsentierten sich beide schweißgebadet.
»Verflucht!« wimmerte Thero, der immer noch auf die Mundplatte biß.
»Nicht so laut«, zischte Alec und drückte Theros Kopf an die Brust, um etwaige Schreie zu ersticken. Auch sein Magen drehte sich unwillkürlich und langsam herum. »Tut mir leid, aber es war die einzige Möglichkeit. Bist du jetzt wieder frei?«
Thero nickte, »’ab alles ge’ehen un’ ge’ört. Konnte nich’ be’egen – alles ge’ehen -«
»Ich auch«, unterbrach ihn Alec und klopfte ihm auf die Schulter. »Wir müssen diese Bilder vorerst verdrängen und uns überlegen, wie wir hier wegkommen. Aber was ist nun mit den Dingern da?« Er deutete auf die Handschellen, nicht gewillt, sie noch einmal zu berühren. »Merken die Totenbeschwörer, daß du sie nicht mehr trägst?«
Thero setzte sich auf. »’eiß nich’. ’yrmagnos ’at ’ie ge’acht.«
»Was ist mit deiner Magie?«
Bevor Thero antworten konnte, hörten sie, daß die Wachen sich draußen bewegten. Alecs Mut sank, als er lauschte, wie ihre Schritte in der Ferne verhallten.
Thero versteckte die Handschellen in den Schatten hinter sich. Alec rückte ein paar Fuß weg, aus dem Licht.
Das war’s, dachte er voll kalter Entschlossenheit und stand auf. Was immer jetzt auch geschieht, das war’s.
Einen Lidschlag später trat Ashnazai mit einer kleinen
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