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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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und weinenden Freund in den Windschatten eines großen Felsblocks und hielt ihn wieder fest.
    »Ich dachte, du wärst tot«, stieß Alec heiser hervor und klammerte sich an Seregil, als fürchte er, sein Freund würde verschwinden, wenn er ihn losließe. »Es war Vargûl Ashnazai. Er hat mir vorgegaukelt, du wärst gekommen, um mich zu retten, und …« Alecs Kehle entrang sich ein heiserer Laut, eine Mischung aus Schluchzen und Lachen. »Aber ich habe diesen Dreckskerl getötet!«
    Die Geschichte, die aus dem Jungen sprudelte, war lückenhaft und verworren, trotzdem konnte sich Seregil genug zusammenreimen, um zu erahnen, welcher Art Folter Alec unterzogen worden war. Tränen hilfloser Wut brannten ihm in den Augen, während er Alecs Haar streichelte und ihm auf Aurënfaieisch beruhigend ins Ohr murmelte.
    Gegen Ende des Berichts bettete Alec erschöpft den Kopf an Seregils Schulter und holte rasselnd Luft. »Das Schlimmste daran – als Ashnazai dich getötet hat – es mir vorgegaukelt hat – da hat er Dinge gesagt -« Alec preßte die Augen zu. »Ich dachte, du wärst in dem Glauben gestorben, ich hätte dich verraten.«
    Seregil wischte Alec eine Strähne aus der Stirn und küßte ihn darauf. »Schon gut, talí. Wäre es wirklich ich gewesen, hätte ich ihm nicht geglaubt. Dafür kenne ich dich zu gut.«
    »Und ich habe dir nie gesagt …« Schamesröte schoß in Alecs bleiche Züge. »Ich verstehe es nicht, aber ich …«
    Die Stimme versagte ihm den Dienst, und Seregil zog ihn dichter an sich. »Ich weiß, talí, ich weiß.«
    Es war Alec, der die Lippen auf Seregils Mund preßte.
    Zuallererst war Seregil völlig verblüfft. Doch Alec zeigte sich beharrlich; ungeschickt zwar, aber entschlossen. Er dauerte einen Lidschlag, eine Ewigkeit, dieser eine, unbeholfene Kuß, und aus ihm sprachen stumme Bände verwirrter Aufrichtigkeit. Der folgende Augenblick erwies sich als zu zerbrechlich für Worte.
    Er ist völlig erschöpft und durcheinander. Er hat Qualen jenseits des Erträglichen erlitten, versuchte Seregil falschen Hoffnungen vorzubeugen, doch diesmal wollten sich die Zweifel nicht festsetzen.
    Vater, Bruder, Freund.
    Geliebter.
    Er schloß die Augen und wußte, was auch immer zwischen ihnen entstand, es würde genügen.
    Es war Alec, der die Stille durchbrach. Er wischte sich mit einem Zipfel des Umhangs das Gesicht ab und sagte: »Wir sollten besser weitergehen. Ich glaube, wenn ich jetzt einschlafe, schaffst du es nicht mehr, mich zu wecken. Mardus ist unterwegs.«
    »Zieh dir lieber erst was an.« Seregil stand auf und streifte den Kittel ab. Dabei spürte er das Gewicht des schwarzen Dolches, den er darin trug.
    »Das hätte ich ja fast vergessen. Den hier habe ich für dich aufgehoben.«
    Er holte das Messer hervor und wickelte es aus dem Tuch, das er darum geschlungen hatte. Eine kurze Weile hielt er es, jenes Symbol der Niederlage, aber auch der Hoffnung, das er all die langen Tage ihrer Trennung bei sich gehabt hatte. Schließlich löste er die um den Griff geknotete Locke und ließ den Wind die goldenen Strähnen von seinen Fingern wehen und sie über die Felsen und das Meer verstreuen.

 
48
Immer näher
     
     
    Irtuk Beshar ritt an die Spitze der Kolonne und reihte sich neben Mardus ein. Mit einem kaum verhohlenen Schaudern gab Hauptmann Denarii, Befehlshaber der Landstreitmacht, die an der Küste gewartet hatte, den Platz frei.
    Mardus begrüßte sie mit einem wohlwollenden Nicken.
    »Guten Morgen, Verehrteste.«
    »Gleichfalls, Lord Mardus. Sind die Kundschafter schon zurück?«
    »Ja. Sie berichten keine Hindernisse. Wir werden heute am späten Nachmittag das Lager aufschlagen und können uns ohne Eile auf das Abschlußritual morgen vorbereiten.«
    »Wie immer ist Seriamaius’ Wille mit Euch, Herr.« Irtuk musterte das hübsche Profil des dunkelhaarigen Herzogs. »Ich muß schon sagen, angesichts Vargûl Ashnazais Tod und der Flucht der Gefangenen letzte Nacht erscheint Ihr mir bemerkenswert guter Dinge.«
    Unbekümmert zuckte Mardus mit den Schultern. »Ashnazai hat all meine Warnungen in den Wind geschlagen und sich somit seinen Tod selbst zuzuschreiben. Aber daß wir Alec verloren haben, finde ich schon bedauerlich. Was für ein außergewöhnlicher junger Mann.«
    »Und die Gefangenen?«
    »Meine Fährtenleser sagen, das skalanische Überfallkommando bestand aus weniger als einem Dutzend Reiter und ist nach Osten geflohen. Nein, der Helm wird wiederhergestellt, und ich werde Seriamaius

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