Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
grimmig.
»Er meinte, je jünger das Opfer, desto größer die Macht, die der Tod verheißt. Es war Mardus’ Vorstellung von Rache, Thero und mich als letzte Opfer für das Abschlußritual aufzuheben.«
An dieser Stelle schaute Seregil unvermittelt auf. »Das ist der Schlüssel! Wenn wir schnell zuschlagen, bevor sie die Opferungen abgeschlossen haben, können wir gegen dieses Ding vielleicht etwas ausrichten.«
»Vielleicht, aber wir dürfen auch die erste Macht des Helmes nicht unterschätzen«, mahnte Nysander zur Vorsicht. »Es ist durchaus möglich, daß er schon im Augenblick seiner Vollendung über eine gewisse Kraft verfügt. Aber gut. Erzähl weiter, Alec.«
Der Junge war so erschöpft, daß er die nächtlichen Schrecken, die Vargûl Ashnazai ihm und Thero bereitet hatte, nur noch sachlich und mit tonloser Stimme wiedergeben konnte, dann umriß er in knappen Sätzen die Einzelheiten der Reise an Land.
Als er Cillas Besuch und die Beschimpfungen beschrieb, die sie ihm entgegengeschleudert hatte, wurde Seregil aschfahl.
»Phantasmen, nur Trugbilder, die dieser entsetzliche Mann heraufbeschworen hat«, versicherte ihm Nysander. »Solche Zauber verwenden deine eigenen Ängste und Vorstellungen gegen dich.«
»Aber was war, als ich Seregil gesehen habe?« fragte Alec. »Das war echt. Ich habe ihn doch berührt, und gefühlt, wie er geblutet hat. Noch am nächsten Tag klebte Blut an meinen Händen.«
»Eine weitere Sinnestäuschung«, entgegnete Nysander. »Er hat Seregils Bild erschaffen und sich irgendeines armen Teufels bedient, um seinen Tod überzeugend wirken zu lassen. Irgend jemand ist in der Nacht damals auf jeden Fall gestorben. Ich vermute, Ashnazai wollte deinen Willen dadurch endgültig brechen.«
Schuldbewußt blickte Alec in Micums Richtung. »Ich habe es genossen, ihn zu töten. Ich weiß, das ist falsch, aber so war es.«
»Deshalb brauchst du keine Gewissensbisse zu haben«, beruhigte ihn Micum und lächelte verkniffen. »An deiner Stelle hätte ich das gleiche empfunden. Eine derart wahnsinnige Bestie zu töten ist keineswegs unehrenhaft.«
Seregil kicherte mit finsterer Miene. »Ich habe vor, es genausosehr zu genießen, diesen Mardus zu töten.«
»Rache ist nicht unser Ziel«, erinnerte Nysander sie streng. »Vergeßt nie, daß ihr Gott unsere Gefühle und Schwächen gegen uns zu verwenden vermag. Und jetzt laßt Alec seine Geschichte zu Ende erzählen, damit er sich endlich ausruhen kann.«
»Es gibt nicht mehr viel zu berichten. Nachdem wir aus dem Lager entwischt waren, hat Thero denselben Zauber eingesetzt wie du an dem Tag, als du uns in Tiere verwandelt hast. Als ich erkannte, was er tat, war es bereits zu spät, um ihn aufzuhalten. Sobald er mich in einen Hirsch verwandelt hatte, bin ich einfach losgerannt. Hätte er mir die Möglichkeit gelassen, hätte ich ihm vielleicht helfen können, aber irgend etwas ist mit meinem Verstand passiert, genau wie beim letzten Mal.«
»Gegen etwas, das jemand vom Schlag einer Irtuk Beshar heraufbeschwört, hättest du gar nichts auszurichten vermocht«, widersprach Nysander. »Theros Entscheidung war weise und ehrenhaft.«
»So wie ich das sehe, ist die eigentliche Frage, wie wir überhaupt an den Helm herankommen«, warf Micum ein. »Laut Alec hat Mardus mindestens vierzig Soldaten dabei. Die werden nicht einfach tatenlos herumstehen, wenn wir antanzen.«
»Wir müssen abwarten, wie sie sich morgen auf dem Tempelgelände verteilen«, sagte Seregil und begab sich zu seinem Rucksack. »Wenn wir davon ausgehen, daß Mardus Alec nicht belogen hat, dann müssen sich die Gefangenen während des Rituals in unmittelbarer Nähe aufhalten. Wenn es uns gelingt, sie zu befreien, könnten sie für Ablenkung sorgen.« Er drehte sich um und reichte Alec seinen Bogenkasten und sein Schwert.
»Du hast ihn mitgebracht!« rief Alec aus, nahm die Teile des Radly aus dem Kasten und setzte sie zusammen.
»Und deinen Köcher«, sagte Seregil. »Wenn Nysander mit seiner Prophezeiung recht hat, wirst du beides brauchen.«
»Rings um das Tempelgelände gibt es genügend Erhebungen«, stellte Micum fest. »Alec könnte einige der Wachen um die Gefangenen niederstrecken und dadurch eine Panik auslösen. Sofern die Gefangenen auch nur einen letzten Willensrest besitzen, werden sie kämpfen oder wegrennen. So oder so würde sich dem Rest von uns die Möglichkeit eröffnen, die allgemeine Verwirrung auszunutzen und blitzschnell zuzuschlagen.«
»Ich habe aber
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