Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
nur zwanzig Pfeile«, gab Alec zu bedenken und öffnete den Köcher, um die Befiederung zu überprüfen. »Selbst wenn ich mit jedem Schuß treffe, bleiben noch eine Menge bewaffneter Männer übrig. Wir reden hier immerhin von plenimaranischen Marinesoldaten.«
»Sicher, wir werden alle Hände voll zu tun haben, aber ich glaube kaum, daß wir es mit allen gleichzeitig aufnehmen müssen«, entgegnete Micum. »Ich schätze, Mardus wird Wachen aufstellen und ein paar weitere Männer im Lager postieren. Die meisten Sorgen bereitet mir der Dyrmagnos. Erzähl mir mehr über dieses Weib.«
»Sie ist die Verkörperung des Bösen«, antwortete Alec voller Abscheu. »Was sie mir und Thero angetan hat – ich weiß nicht einmal, wie ich euch das beschreiben soll. Als sie mit mir fertig war, hatte ich jede verfluchte Einzelheit preisgegeben, die sie wissen wollte. Nysander lag goldrichtig damit, uns so wenig zu verraten. Als sie erst mit mir angefangen hatte, konnte ich nichts mehr tun, um sie aufzuhalten.«
»Das hatte ich befürchtet«, murmelte der Magier.
»Nachdem wir endlich entwischt waren, hat sie uns irgend etwas hinterhergehetzt. Ich habe es zwar nicht gesehen, aber allein die Geräusche haben gereicht, um mir das Blut in den Adern gerinnen zu lassen.«
»Das alles sind hervorragende Neuigkeiten!« rief Nysander aus und rieb sich zufrieden die weißen Hände. »Die Opferungen, die Beschwörungen, die Beshar an Alec und Thero angewandt hat, und ihr Geschöpf. So wie sich das anhört, hat sie sich seit ihrem Angriff auf mich im Orëska-Haus kaum Erholung gegönnt. Niemand, nicht einmal ein Dyrmagnos, kann binnen so kurzer Zeit soviel Macht aufwenden, ohne dafür Tribut zu zollen. Sobald sie den Helm vollendet hat, sollte sie zumindest ein wenig geschwächt sein. Wenn wir sie dann angreifen, können wir sie vielleicht lange genug außer Gefecht setzen, um unsere Aufgabe zu erfüllen. Und jetzt, Alec, solltest du schlafen, so gut du kannst. Die größte Herausforderung von allen liegt noch vor uns.«
»Soviel steht fest«, murmelte Micum. »Vier gegen vierzig. Ich gehe zurück hinunter zur Straße und halte nach Mardus Ausschau.«
Alec aber verspürte keine Furcht, als er sich unter Seregils Umhang ausstreckte. Egal was geschehen würde, es konnte unmöglich schlimmer sein als das, was er bereits durchgemacht hatte.
Micum fand einen Felsvorsprung, von dem aus er die Küstenstraße einsehen konnte und ließ sich nieder, um zu warten.
Das Wetter hatte sich gehalten; warm schien ihm die Sonne auf den Rücken, als er sich in seinem Versteck hinlegte und den Lauten der Vögel im Wald rings um ihn lauschte. Wenn er durch die Bäume auf der westlichen Straßenseite spähte, sah er grüne Wellen über das Innere Meer rollen, auf denen Entenschwärme trieben.
Das bißchen, das er von diesem Land gesehen hatte, unterschied sich kaum von Skala. Alles in allem schien es sich sogar um ein ziemlich schönes Land zu handeln – abgesehen von den Plenimaranern.
Es war später Nachmittag, als er hörte, wie die ersten Pferde sich näherten. Zunächst galoppierte eine Vorhut vorbei. Bald darauf erblickte er weitere Reiter, die im Schritt an der Spitze einer Kolonne Marinesoldaten ritten.
Micum hatte vorigen Herbst in Wolde genug von Mardus gesehen, um ihn nun wiederzuerkennen. Er trabte an vorderster Stelle und trug Militärgewänder. Die Art, wie er im Sattel saß, verriet Micum, daß dieser Mann daran gewöhnt war zu befehlen.
Eine Frau in prunkvoller Reisekleidung befand sich an seiner Seite. Ihre Anwesenheit verwirrte Micum, bis er ihr Gesicht erspähte und begriff, was sie war. Er duckte sich noch tiefer und wagte kaum zu atmen, bis der Dyrmagnos vorübergeritten war.
Dahinter folgten weitere Reiter und Marinesoldaten. Micum sah ein paar vertraute Gesichter darunter – Hauptmann Tildus und einige der Soldaten, die in Wolde bei ihm gewesen waren. Die leidenschaftslose Gelassenheit, die Micum so viele Schlachten lebend hatten überstehen lassen, durchströmte ihn, als er schweigend Männer auswählte, die er zu töten gedachte.
Ein Wagentroß folgte, einschließlich des Bärenkarrens, den Alec beschrieben hatte. Als das Gefährt in Höhe von Micums Versteck vorbeirollte, sah er darin einen dürren, halbnackten Mann ausgestreckt mit dem Gesicht am Boden liegen. Die Züge vermochte er nicht zu erkennen, doch der Körperbau ließ erahnen, daß es sich um Thero handelte. Auf einem weiteren Wagen, an den auch ein
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