Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Wochen in Ketten aus seiner Villa abgeführt worden war. Kylith hatte dem Vorfall geschickt jedwede Spannung genommen, indem sie ihn offen zur Sprache brachte.
»Seregil, du sitzt dort drüben bei Admiral Nyreidian«, bestimmte sie und wies ihm einen Sitz neben einem beleibten Adeligen mit schwarzem Bart zu. »Er beaufsichtigt das Ausstatten der Freibeuterflotte der Königin, und ich weiß genau, daß du alles darüber erfahren willst. Sir Alec, Ihr sitzt hier zwischen uns, damit wir unsere Bekanntschaft erneuern können. Aber zuvor muß ich Euch gebührlich vorstellen – Admiral Nyreidian í Gorthos, Lady Tytiana ë Reva und Lady Breena ë Ursil vom Hof der Königin, Sir Arius í Rafael und meine ganz besonders liebe Freundin Lady Yriel ë Nikiria.«
Kurz setzte sie ab, dann legte sie die Hand auf die einer uniformierten Frau zu ihrer Rechten. »Und dies ist Hauptfrau Julena ë Isai von der Infanterie der Weißen Falken, der neuesten Bereicherung unseres kleinen Salons.«
Seregil musterte die Hauptfrau mit leisem Interesse; Gerüchten zufolge handelte es sich um Kyliths jüngste Liebschaft.
»Meine Freunde, ihr alle kennt Lord Seregil í Korit«, fuhr sie fort. »Und dieser bezaubernde junge Mann ist Lord Seregils Schützling, Sir Alec í Gareth von Ivywell. Ich glaube, sein verschiedener Vater war ein Ritter von Mycena.«
Alecs Scheinherkunft wurde der erhoffte Mangel an Interesse zuteil. Seregil überließ es dem Jungen, auf charmante Weise mit Kyliths Liebäugeln fertig zu werden, und wandte die Aufmerksamkeit den übrigen Gästen zu, die ihm wißbringender erschienen.
»Ich nehme an, ein Krieg wäre eine Erleichterung für Phoria«, sagte Lady Tytiana gerade. Als Hauptverantwortliche für die Garderobe der Königin galt sie als unschätzbare und im allgemeinen zuverlässige Gerüchtequelle. »Ihr müßt wissen, diese gräßliche Sache im Zusammenhang mit dem Selbstmord des Kanzlers lastet ihr immer noch schwer auf dem Gemüt – Oh, Lord Seregil, vergebt mir. Ich wollte keineswegs taktlos sein.«
»Aber das seid Ihr ganz und gar nicht, meine Teuerste.« Seregil strich eine Falte aus seinem schwarzen Mantel. »Meine Name wurde reingewaschen, also ist meine Ehre nicht mehr oder weniger befleckt als sonst auch.«
Gelächter ging durch den kleinen Kreis. Über die Jahre hinweg hatte er sich sorgsam einen Ruf als bezaubernd zerstreuter Verbannter aufgebaut. Während ihm seine entfernte Verwandtschaft mit der Königsfamilie Zugang zu den eleganteren Salons verschaffte, wurde gemeinhin angenommen, daß ihn seine ausländische Geburt und sein stümperhaftes Auftreten vor den verschlungenen Intrigen der Stadt bewahrte. Folglich nahm ihn zwar niemand so recht ernst, dafür erzählte man ihm eine Menge.
»Wie ich schon sagte«, fuhr Tytiana fort, »es würde mich nicht wundern, wenn sie froh wäre, in den Krieg zu ziehen. Es gibt kaum etwas Besseres als ein paar Siege, um die Beliebtheit beim Volk zu verbessern. Und ganz unter uns, Phoria könnte ein wenig Zuspruch der Bevölkerung durchaus brauchen, auch ohne diesen anderen Makel. Eine Thronfolgerin ohne Nachkommenschaft ist immer irgendwie – peinlich.«
»Dafür ist sie ein hervorragender Reitereioffizier«, hielt Hauptfrau Julena dem entgegen.
Admiral Nyreidian lehnte sich zurück und legte die Hände auf den beachtlichen Wanst. »Schon richtig, aber dadurch gerät sie ins Hintertreffen, es sei denn, die Plenimaraner wären dumm genug zu versuchen, Mycena zu überrennen. Plenimar ist eine Seemacht, schon immer gewesen. Ich habe die Königin darauf hingewiesen, und sie ist mit mir einer Meinung. Noch während wir hier sprechen, werden im unteren Teil der Stadt Verteidigungsanlagen errichtet.«
»Erst gestern habe ich gehört, wie Königin Idrilain zweihundert Wagenladungen guten, roten Lehm aus Piorus bestellt hat, um die Hänge unterhalb der Zitadelle zu löschen«, mischte sich Lady Breena ins Gespräch. »Seit den Tagen ihrer Urgroßmutter wurde so etwas nicht mehr getan.«
»Gewiß wären sie nicht so kühn, Rhíminee direkt anzugreifen, oder?« meinte Seregil über den Wein hinweg.
Nyreidian warf ihm einen eher herablassenden Blick zu. »Das haben sie schon einmal gemacht.«
»Also bereitet Ihr Euch darauf vor, sie mit den eigenen Waffen zu schlagen. Das muß ein gewaltiges Unterfangen sein.«
»Ich glaube, ich habe schon jeden Seemann, Fischer und Piraten in der Stadt gesehen, der je zwischen hier und der Meerenge von Bal gesegelt ist«,
Weitere Kostenlose Bücher