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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Schultern hielt. Bisher hatte er Klia lediglich als gewöhnliche, fröhliche, schlammbespritzte Soldatin betrachtet, die ihn wie einen Kameraden behandelte und niemals Wert auf Förmlichkeiten legte. Als er sie nun musterte – vor dem Hintergrund ihrer wahren Herkunft und des Gepränges der Zeremonie – hatte er das Gefühl, eine Fremde zu sehen.
    Gemessenen Schrittes bewegte sich der Zug auf die Tempeltreppe zu, wo Idrilain abstieg, die Stufen erklomm und sich gegenüber des alten Sakors und der übrigen Priester aufstellte. Ihr Gemahl und ihre Kinder warteten hinter ihr. Von da an wurde das Ritual in der neuen Sprache Skalas abgehalten.
    Klar und deutlich erklang Idrilains Stimme, als sie die Arme ausbreitete und zu einem Sprechgesang ansetzte, der Sakor als Hüter der Flamme und des Schwertes des Friedens pries.
    »Laß die Dunkelheit nicht über uns kommen!« rief sie zum Abschluß.
    Die Menschenmenge griff den Ruf auf und wiederholte ihn lauthals, bis Valerius vortrat und den Zeremonienstab mit beiden Händen über den Kopf hob. Nachdem das Volk wieder verstummt war, sang er das Lied Dalnas. Weithin vernehmbar hallte seine tiefe, volltönende Stimme unter freiem Himmel durch die Nacht.
    Alec kannte das Lied gut. Als die Menschenmenge die Schlußstrophe wiederholte, ›Der Schöpfer ließ uns all’ entstehen, und nichts entgleitet des Schöpfers Hand‹, stimmte er begeistert mit ein und schenkte den Blicken von Kyliths übrigen Gästen keine Beachtung, die er dadurch auf sich zog.
    Astellus und Illior halfen dem alten Sakor auf die Beine, und die versammelten Priester begannen leise mit der Totenklage.
    »Wer soll nunmehr Wache halten?« sangen die Sakorpriester. »Wer die Flamme hüten?«
    Die maskierte Illior antwortete, indem sie die Offenbarung von Afras Orakel wiedergab: »Solange eine Tochter aus Thelátimos’ Geschlecht Skala regiert und verteidigt, wird Skala nie unterdrückt werden.«
    Die Königin trat vor, und der alte Sakor mahnte sie, während der langen Nacht und des folgenden Jahres über ihr Volk zu wachen. Mit einer feierlichen Verbeugung verpflichtete sie sich und ihre Nachkommen zum treuen Dienst an Skala, woraufhin ihr Gërilains Schwert und ein großer Feuertopf überreicht wurden. Als sie sich umdrehte und beides emporhob, brach die Menge in zustimmenden Jubel aus.
    Das letzte Tageslicht verblaßte gerade am westlichen Himmel, als zwei Priester einen schwarzen Bullen herbeiführten. Idrilain gab Phoria den Feuertopf und hob das Schwert mit der rechten Hand über den Kopf. Die linke legte sie sanft auf die Stirn des Tieres und sprach die rituelle Begrüßung.
    Der Bulle schnaubte und schüttelte den Kopf. Dabei verfing er sich mit der Spitze eines Hornes am Saum ihres Umhangs.
    Beunruhigtes Gemurmel durchlief das Menschenmeer wie eine Brise, die über ein Kornfeld streicht; ein unwilliges Opfer war ein schlechtes Omen.
    Doch das Tier leistete keinen weiteren Widerstand, als die Priester seinen Kopf zurückzogen und Idrilain ihm die Kehle aufschlitzte. Dunkles, in der kalten Luft dampfendes Blut schoß aus der Wunde, und der Stier brach kampflos zusammen. Idrilain streckte die Klinge dem alten Sakor entgegen, der einen Finger in das Blut tauchte und damit seine Stirn und die der Königin salbte.
    »Sprich zu deinem Volk, o Sakor!« rief sie. »Du, der du scheidest aus dem Reich der Lebenden und mit frischer Kraft zurückkehrest. Wie lautet deine Prophezeiung?«
    »Mal sehen, was sie sich dieses Jahr ausgedacht haben«, murmelte jemand.
    »Soll das heißen, das ist gar nicht echt?« flüsterte Alec betroffen zu Seregil.
    Seregil ließ ansatzweise das ihm eigene, schiefe Lächeln aufblitzen. »Ja und nein. Monatelang werden Weissagungen aus allen bedeutenden Tempeln in ganz Skala gesammelt. In ihrer Form unterscheiden sie sich jedes Jahr, aber im allgemeinen erweisen sie sich als recht nützlich für gegenwärtige Politik.«
    Sakor, der vor dem Schirm stand, drehte sich dem Volk zu und hob die Hände.
    Doch bevor er das Wort ergreifen konnte, stieß ein plötzlicher Wind auf den Platz nieder, bauschte Roben, ließ Umhänge aufwallen und Staub und Blätter gleich winzigen Wirbelstürmen aufsteigen. Banner wurden von Logen gerissen. Gongs schwangen an ihren langen Ketten und schlugen bedrohlich gegen die Säulen des Tempels.
    Aufgeschreckt stoben Möwen und Tauben in einem Gewirr von Flügeln von ihren Schlafplätzen in die Lüfte empor, wo Dutzende Raben sie erwarteten. Die schwarzen Vögel

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