Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
Vom Netzwerk:
der Dunkelheit warmhalten, hm?«
    Plötzliches Fanfarengeschmetter aus dem Tempel ersparte ihm eine Antwort.
    Stille senkte sich über die Menge, als ein langer Troß von Priestern aus dem Inneren des Tempels hervorkam. Während sie einen Sprechgesang vor sich hin summten und auf Schilfflöten, Sistren, tiefklingenden Hörnern und Trommeln spielten, bildeten sie beiderseits des Schirms zwei Ränge. Die schwirrende Musik klang uralt und traurig.
    »Das Lied des Verscheidens, gesungen in der ursprünglichen, konischen Form«, flüsterte Seregil. »Ein Großteil der Zeremonie ist gut und gern tausend Jahre alt.«
    Nachdem der Sprechgesang geendet hatte, wurde auf einer Bahre eine in kunstvoll verzierte Roben gewandete Gestalt herbeigetragen, deren Antlitz eine Maske in Form einer goldenen Sonne verhüllte. Auf den Knien der Gestalt lag ein Breitschwert.
    »Das ist der älteste der Sakorpriester, verkleidet als der sterbende Gott«, fuhr Seregil fort. »Bei sich hat er das große Schwert Gërilains.«
    »War das wirklich ihr Schwert?« flüsterte Alec. Gërilain war die erste von Skalas Erbköniginnen gewesen, die aufgrund Illiors Prophezeiung vor sechs Jahrhunderten eingesetzt worden waren.
    »Ja. Es wird der Königin jedes Jahr aufs neue verliehen.«
    Nachdem der alte Sakor vor dem Altar abgesetzt worden war, trat eine Priesterin vor und wandte sich in derselben altertümlichen Sprache an ihn.
    »Jetzt fleht sie Sakor an, das Volk nicht zu verlassen«, erklärte Seregil. »Dieser Teil zieht sich länger hin, aber er läuft darauf hinaus, daß Sakor die Königin zur Hüterin des Volkes ernennt und ihr den heiligen Feuertopf und das Schwert übergibt.«
    Wie von Seregil angekündigt, nahm Sakors Erwiderung einige Zeit in Anspruch. Der untere Teil der Sonnenmaske war so beschaffen, daß er die recht dünne und brüchige Stimme des Priesters verstärkte. Nachdem das Zwiegespräch beendet war, ertönten Hörner, und der große Umzug begann.
    Priestergruppen traten aus den anderen Tempeln hervor, und jede trug auf einer Bahre eine Gestalt, die ihre Schutzgottheit verkörperte.
    Zuerst kamen die Dalnaner, für die Valerius den Gott Dalna spielte. Mit einem aus Elfenbein und Gold gefertigten Zeremonienstab in der Hand, einem Kranz aus Lorbeer und Efeu auf dem Haupt und in grüne, üppig mit Gold verzierte Gewänder gehüllt, wirkte der reizbare Drysier ungewohnt prunkvoll.
    Irgend jemand war es gelungen, seine wilde Mähne zu zähmen, so daß sie unter dem Kranz einigermaßen ordentlich aussah, der Bart aber knisterte angriffslustig wie immer, als er den finsteren Blick über die Menge wandern ließ.
    »Ich bin zwar kein Dalnaner, aber ich glaube kaum, daß Valerius als Schöpfer eine ausgesprochen vertrauenerweckende Figur abgibt«, murmelte Seregil, wodurch er einigen der anderen Gäste, einschließlich Alec, ein zustimmendes Kichern entlockte.
    Astellus würde Sakor als Führer auf der Reise zur Insel der Morgenröte dienen. Diese Rolle spielte eine mollige, blonde Priesterin in einem schlichten, blau-weißen Kittel und mit einem breitkrempigen Hut sowie Wanderstab und Tasche. Grau gefiederte Möwen, das lebende Sinnbild des Wanderers, stoben vom Springbrunnenhof des Tempels auf und kreisten über ihr, während sie weitergetragen wurde.
    Auch Illior wurde von einer Frau dargestellt. Stocksteif saß sie in ihrem wallenden, weißen Kleid und mit der funkelnden, goldenen Maske auf der Trage und hob die rechte Hand, um das kunstvolle, kreisrunde Emblem zu zeigen, das ihre Handfläche bedeckte.
    Die drei Gruppen trafen sich in der Mitte des Platzes und warteten auf den letzten Troß. Abermals erklangen Hörner. Eine Schwadron der Reiterei näherte sich in festlichem Purpur und Schwarz vom Eingang des Tempelhofs her, gefolgt von der königlichen Familie.
    »Ist sie das? Ist das die Königin?« flüsterte Alec und reckte den Hals, um besser sehen zu können.
    »Das ist sie.«
    Grauhaarig und ernst saß Idrilain auf ihrem Roß wie die Kriegerin, die sie war. Den goldenen Brustpanzer zierten ein erhobenes Schwert und Illiors Sichel; an ihrer Seite hing eine leere Scheide.
    Neben der Königin ritt ihr Gemahl Evenir, ihr zweiter und wesentlich jüngerer Gatte. Hinter dem königlichen Paar kamen ihre Söhne und Töchter. Unter ihnen ritt auch Klia in der prunkvollen Galauniform der Reiterei der Königin.
    Während Alec sie in der Ferne beobachtete, wanderte seine Hand unwillkürlich zu der Silberbrosche, die den Zierumhang um seine

Weitere Kostenlose Bücher