Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
flackerte und erstarb. Sogleich ertönten vom Tempeldach an die hundert tiefklingende Hörner, die verkündeten, daß nun jedes Feuer der Stadt zu löschen war.
Die verbleibenden Priester schlossen sich dem Marsch an, während die Königin vor dem Altar ihren Platz einnahm, um die heilige Wache anzutreten.
»Was für eine bemerkenswerte Vorstellung!« meinte Lady Yriel und lachte gezwungen. »Ich finde, dieses Jahr haben sie es fast ein wenig übertrieben, oder?«
»Höchst beeindruckend«, pflichtete Kylith ihr gelassen bei, als an der Tür der Loge Bedienstete mit Lichtsteinen an langen Stöcken erschienen, um den aufbrechenden Gästen den Weg zu erhellen. »Aber ich vermute, Lord Seregil hat anläßlich der von ihm veranstalteten Zusammenkunft etwas ebenso Eindrucksvolles geplant. Wollt Ihr beide in meiner Kutsche mitfahren?«
Seregil erhob und beugte sich über ihre Hand. »Danke, aber ich glaube, wir warten ein Weilchen, bis sich die Menge aufgelöst hat, und reiten dann zurück.«
»Spielchen in der Dunkelheit, wie?« Sie hauchte zunächst ihm, dann Alec einen Kuß auf die Wange. »Wir sehen uns in der Radstraße.«
Nachdem die anderen gegangen waren, verharrte Seregil, die Ellbogen auf das Geländer gestützt, eine Zeitlang reglos.
»Was ist dieser ›Verzehrer des Todes‹?« fragte Alec unbehaglich. »Es klang wie eine Drohung oder eine Warnung.«
»Ich bin sicher, genau das war es auch«, murmelte Seregil, während er hinunter auf den Platz starrte. Mittlerweile war die Sonne ganz untergegangen, und nur der Mond und die Sterne tauchten die Stadt in fahles Licht und zauberten scharfe Kontraste silbrigen Lichtes und tiefschwarzer Schatten in die Umgebung. Leuchtstöcke tanzten hie und da in den Händen jener, die wohlhabend genug waren, sich welche zu leisten; leises Gelächter und Rufe wie ›Preiset die Flamme!‹ drangen zu ihnen herauf, als die Menschen einander in der Dunkelheit anrempelten.
Etwas in den Zügen seines Freundes verstärkte Alecs Unbehagen noch. »Hast du eine Ahnung, was der Priester damit gemeint hat?« fragte er.
Seregil zog die Kapuze über den Kopf, um sich gegen die nächtliche Kälte zu schützen und erhob sich zum Gehen. Alec konnte sein Gesicht nicht sehen, als er antwortete: »Kann ich nicht sagen.«
7
Ein aufschlußreicher Abend
Durch das Haus in der Radstraße hallte längst fröhliche Musik, als sie zurückkehrten. Alec gab seinen dunklen Umhang an der Tür einem Bediensteten und folgte Seregil in den Saal.
Einige Gäste labten sich bereits an Wein und Speisen. Jedem war bei seinem Eintreffen ein mit bunten Bändern verzierter Leuchtstock gereicht worden. Nun schimmerten ringsum fahle Lichter, die umherwanderten, während die Leute tanzten oder durch den Raum schritten.
Eine Woge des Beifalls schlug ihnen entgegen, als Runcer an seinem Posten neben der Tür ernst ihre Ankunft verkündete.
»Ich heiße euch in dieser dunklen, kalten Nacht in meinem Heim willkommen!« rief Seregil aus. »Denjenigen unter euch, die meinen Gefährten noch nicht kennen, möchte ich Sir Alec í Gareth von Ivywell vorstellen.«
Anmutig verbeugte sich Alec und durchsuchte den Saal rasch nach vertrauten Gesichtern. Kyliths Gruppe war anwesend, doch er erblickte weder Nysander noch die Cavishes. Dafür erspähte er in einer abgeschiedenen Ecke ein Knäuel von Offizieren in den grünweißen Uniformen der Reiterei der Königin. Klias Freundin und Offizierskollegin, Hauptfrau Myrhini, grüßte ihn mit ihrem Leuchtstock. Alec winkte zurück und fragte sich, ob Beka wohl bei ihnen war.
Gerade wollte er hinübermarschieren, um es herauszufinden, als Seregil ihn mit der Hand am Arm packte und auf eine Gruppe Adeliger zusteuerte.
»Es ist an der Zeit, die wohlwollenden Gastgeber zu spielen.«
Gemeinsam brachten sie eine Runde durch den Saal hinter sich, wobei sie nahtlos von einer Unterhaltung zur nächsten wechselten. Die meisten Gespräche drehten sich um die Omen der Zeremonie.
»Meiner Ansicht nach haben sie die Sache dieses Jahr ziemlich übertrieben«, meinte naserümpfend ein junger Adeliger, der ihnen als Lord Melwhit vorgestellt wurde. »Wer zweifelt denn noch, daß uns ein Krieg bevorsteht? Die Vorbereitungen laufen doch schon seit dem Sommer.«
Eine ernst wirkende, blonde Frau drehte sich von einer Unterhaltung mit Admiral Nyreidian weg und grüßte Seregil auf Aurënfaieisch.
»Ysanti maril Elustri, Melessandra ä Marana«, erwiderte Seregil herzlich. »Erlaubt, daß
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