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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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tauchten ebenso plötzlich und unerklärlich aus der Düsternis auf wie der Wind, der sie trug, und stürzten sich rasend auf ihre gefiederten Opfer, hackten mit dicken Schnäbeln auf sie ein und bohrten ihre klauenbesetzten Zehen in sie.
    Die Zuschauer beobachteten hilflos, wie schwarze Schwingen auf weiße oder braune niederstießen; nach oben gewandte Gesichter wurden mit Blut und klebrigen Gefiederklumpen bespritzt. Dann ertönten erschrockene Schreie, als ringsum zerfetzte Vogelleiber zu Boden fielen.
    Im Tempel hatte Idrilain das Schwert in Anschlag gebracht und wehrte ganze Rabenschwärme ab, die sich auf den geopferten Bullen stürzen wollten. Phoria und ihre Brüder und Schwestern eilten ihrer Mutter zu Hilfe, die Aasfresser zu vertreiben. Neben ihnen schlug Valerius wie wild mit dem Stab um sich. Sogar auf die große Entfernung erkannten Seregil und Alec den knisternden, weißen Schimmer, der gefährlich um den Elfenbeinknauf funkelte. Die Illior-Priesterin, deren Züge nach wie vor hinter der Maske verborgen lagen, hob abermals die Hand; ein gleißender, bunter Blitz schoß daraus hervor, in dessen Flugbahn nur träge zu Boden schwebende Federbüschel zurückblieben. Die dem Tempel am nächsten befindlichen Soldaten rannten die Stufen hinauf, um der Königin beizustehen; andere versuchten, eine gewisse Ordnung aufrechtzuerhalten, während Tausende Menschen jammerten und brüllten und zu fliehen versuchten. Mittlerweile kreiste eine dichte Rabenwolke über dem Platz, aus der die schwarzen Vögel unablässig und angriffslustig wie Falken herabstießen. Andere ließen sich in Schwärmen auf Geländern oder Giebeldreiecken nieder. Ein großes Tier flatterte herab, hockte sich auf den Rand von Kyliths Loge und schien Alec mit schwarzen, starrenden Augen nachdenklich zu betrachten.
    Seregil hob die Hand zu einem Beschwörungszeichen, und Alec sah, daß seine Lippen sich bewegten, wenngleich der Junge die Worte in dem Tumult rings um sie unmöglich verstehen konnte. Der Rabe stieß ein heiseres Krächzen aus und flog davon.
    Dann, ebenso plötzlich wie sie aufgetaucht war, zog sich die verhängnisvolle, schwarze Horde zurück, verfolgt von den überlebenden Möwen. Die Tauben hatten ihren Angreifern nichts entgegenzusetzen gehabt; Dutzende flaumiger, brauner Leiber lagen ringsum verstreut.
    Als der Lärm der Vögel allmählich verstummte, drang ein neues, unheilverkündendes Geräusch aus dem Tempel.
    Sakors Schirm, von keiner Hand berührt, dröhnte mit tiefem, erderschütterndem Getöse. Die Flammen des Altarfeuers davor verwandelten sich von Gelb zu einem dunklen Blutrot.
    Viermal erklang der Schirm, dann noch viermal.
    »Höre mich an, mein Volk!« brüllte Idrilain. »Sakor spricht zu uns, indem er uns mit Hilfe des Schirmes ruft. Lauscht der Prophezeiung!«
    Die Menge verharrte reglos, als dem alten Sakor neuerlich auf die Beine geholfen wurde; er wankte sichtlich, als er eine zittrige Hand hob.
    »Höre Sakors Wort, o Volk von Skala!« rief er mit seiner greisen Fistelstimme. »Verstärkt eure Mauern und schärft eure Schwerter. Hütet die Ernte und baut mächtige Schiffe. Schau nach Westen, o Volk von Skala. Von dorther kommen deine Feinde …« Er setzte ab, das Zittern schien schlimmer zu werden. »Von dorther …«
    Einen Augenblick lehnte er sich erschöpft gegen Valerius, dann richtete er sich wieder auf und trat ohne Hilfe einen Schritt vor. Mit überraschend klarer Stimme rief er aus: »Bereite dich vor im Licht und in den Schatten. Von dorther kommt der Verzehrer des Todes!«
    »Der was?« Abermals schaute Alec zu Seregil, doch nun war dessen Antlitz aschfahl und todernst; mit einer behandschuhten Hand umklammerte er krampfhaft das Geländer, auf dem zuvor der Rabe gehockt hatte.
    »Seregil, was ist denn los?«
    Jählings ruckte sein Freund hoch, als wäre er soeben aus einem bösen Traum erwacht, und bedeutete ihm durch ein verstohlenes, aber eindringliches Zeichen, er möge schweigen.
    »Wir haben deine Botschaft vernommen, o Sakor!« sprach die Königin in die nach wie vor herrschende Stille hinein. »Wir werden bereit sein!«
    Jubelbezeugungen wurden wieder laut, als der alte Sakor die Tempeltreppe hinabgetragen wurde, um den langen Marsch zum Hafen in der Unterstadt anzutreten. Dort würde er vorgeben, in Astellus’ Begleitung zur Insel der Morgenröte in See zu stechen, um wiedergeboren zu werden und tags darauf als wesentlich jüngerer Priester zurückzukehren.
    Das Feuer auf dem Altar

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