Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Meksandor Illandi, Hoher Thaumaturge der Dritten Orëska, mit Lady Magyana ä Rhioni Methistabel Tinuva Ylani, Hohe Thaumaturgin der Dritten Orëska. Und Sir Micum Cavish von Watermead, mit Gemahlin Kari und den Töchtern Elsbet und Illia.«
Zu Ehren des Anlasses hatten Nysander und Magyana, die für gewöhnlich zu den unauffälligsten Zauberern der Orëska zählten, die prunkvollen Festroben angelegt, die ihrem Stand gebührten. Die Cavishes hinter ihnen hatten sich ebenso fein herausgeputzt wie jeder Lord im Saal. Illia hielt die Hand ihrer Mutter umklammert und zappelte vor Aufregung in ihrem neuen Kleid. Elsbet, die burgunderfarbene Samtgewänder trug, wirkte selbstsicher und ernst.
»Hast du Thero nicht eingeladen?« hänselte Alec Seregil im Flüsterton.
»Ich lade Thero immer ein! Aber paß auf. Jetzt kommt die Überraschung.«
Auf sein Zeichen hin ließen die Musiker die Instrumente verstummen. Die anderen Gäste traten zurück, als Nysander Magyana in die Mitte des Saales geleitete. Flüchtig nickte er ihrem Gastgeber zu, dann vollführte er mit der Hand eine kurze, beiläufige Geste, woraufhin die bemalten Wände zum Leben erwachten.
Der hohe Raum war vom Boden bis zur Decke mit Fresken überzogen, die eine Waldlichtung darstellten. Die Äste lebensgroßer, von Kletterpflanzen überwucherter Eichen erstreckten sich über das gesamte Dachgewölbe. Zwischen den grauen Stämmen bot sich der Anblick eines entfernten Gebirges und Meeres. Sogar die Steingalerie am hinteren Ende des Saales, auf der die Musiker wieder leise zu spielen begonnen hatten, war so gemeißelt und vergittert, daß sie einer Blätterlaube ähnelte. Auf Nysanders Befehl hin ergoß sich das goldene Licht einer unsichtbaren Sonne über die Landschaft. Eine sanfte Brise strich durch den Raum und trug den Duft von Blumen und warmer Erde sowie einen Hauch des fernen, gemalten Meeres herein. Die ebenfalls gemalten Bäume raschelten im Wind und sprenkelten den Boden mit Schatten. Gezeichnete Vögel stoben von ihren Rastplätzen auf, flatterten durch die Zweige und erfüllten die Luft mit Gezwitscher.
Das Schauspiel rief verzücktes Gemurmel hervor, doch die beiden Magier waren noch längst nicht fertig. Magyana holte einen Kristallstab aus dem Ärmel und beschrieb mit der Spitze einen Kreis, so daß eine vollkommene Kugel schillernden Lichtes von der Größe eines Granatapfels entstand.
»Kommt, verehrter Lord Seregil.« Sie lächelte und winkte Seregil zu sich. »Als Gastgeber gebührt Euch die Ehre.«
»Eine Ehre, die ich hiermit an Sir Alec abtrete, in dieser seiner ersten Nacht der Trauer bei uns.«
Unter tosendem Beifall befolgte Alec Magyanas getuschelte Anweisungen und streckte einen Finger aus, als wollte er die Seifenblase eines Kindes zerplatzen lassen.
Als er die Kugel berührte, explodierte sie in einem Sprühregen schillernder Farben. Augenblicke später ertönte von der Galerie her Hufgedonner, und eine Herde schneeweißer Hirsche und Rehe brach aus dem gemalten Wald hervor und galoppierte einmal durch den Saal, bevor sie neben dem Bogen zum Eßzimmer verharrte, um zu grasen. Schlangen mit regenbogenfarbenen Schwingen stoben aus einer gemalten Höhle und begannen, mit wunderschönen Stimmen zu trällern. Geflügelte Kobolde und Weidenzweigfeen spähten scheu hinter Baumstrünken hervor.
Die Gäste lachten, klatschten begeistert in die Hände und wirbelten herum, um das Schauspiel in sich aufzunehmen. Illia riß sich von Kari los, rannte zu Beka und sprang ihrer Schwester in die Arme.
»Das ist Magie, Beka! Echte Zauberermagie! Und du hast deine Uniform an. Du bist eine Reitereisoldatin!«
Beka erwiderte die Umarmung und grinste. »Genau das bin ich.«
»Wir brauchen passende Musik!« meldete sich Seregil zu Wort. »Fiedler, spielt uns ›Des Schafhirten Idylle‹!«
Hastig machten sich die Musiker bereit, während im Saal Paare für den lebhaften Tanz zusammentraten.
»Da bist du ja!« rief Kari aus und kam herüber, um ihre älteste Tochter zu umarmen.
»Sie hat schon befürchtet, wir würden dich erst morgen sehen«, erklärte Micum. »Sie war den ganzen Nachmittag gereizt deswegen.«
»Gar nicht wahr«, fuhr seine Frau ihn an. »Dreh dich rum, Mädel. Laß dich anschauen.«
»Thero hatte anscheinend andere Pläne«, meinte Seregil mit einem verschlagenen Blick zu Nysander.
»Ah, hallo, Valerius«, sagte Nysander, der mit Magyana herüberkam. »Du hast dich heute abend im Tempel wacker geschlagen. Haben die Raben
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