Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
etwas Verständliches von sich gegeben?«
»Darüber haben wir uns gerade unterhalten«, erwiderte der Drysier. »So wichtig die Sakorer ihre ›Orakel‹ auch nehmen, für die Vögel und die Sache mit dem Schirm waren sie nicht verantwortlich, so weit ich das beurteilen kann.«
»Es war zweifellos eine Art Magie«, sinnierte Magyana. »Vielleicht ein Omen Sakors, dennoch verheißt es nichts Gutes.«
»Die Angelegenheit ist gewiß wert, sich damit zu befassen«, pflichtete Nysander ihr bei, »aber im Augenblick kann ich der Musik einfach nicht widerstehen. Glaubst du, wir sind noch rüstig genug für ein, zwei Tänzchen, meine Liebe?«
»Ich glaube vielmehr, daß man deine Füße fesseln muß, damit sie stillhalten, wenn man dich einst begräbt«, gab Magyana augenzwinkernd zurück.
Mit der ihm eigenen, rauhen Art der Zuneigung in den Augen beobachtete Valerius, wie das Paar davontanzte. »Einfach lächerlich, dieser Eheverzicht der Orëska, dem sie frönt. Die beiden hätten schon vor Jahrhunderten heiraten sollen.« Dann schien etwas anderes seine Aufmerksamkeit zu erregen, und ein schurkisches Grinsen breitete sich unter dem schwarzen Bart aus. »Also, das ist nun wirklich jemand, den ich heute nacht nicht zu sehen erwartet hätte. Und schaut nur, mit wem er hier ist!«
»Ylinestra ä Maranial Wisthra Ylinena Erind, Zauberin von Erind«, kündigte Runcer an. »Und Thero í Procepios Bynardin Chylnir Rhíminee, Zauberer Zweiten Ranges der Dritten Orëska.«
»Schau an, schau an!« murmelte Seregil.
Thero wirkte ungewöhnlich heiter, als er mit Ylinestra an der Hand am Saaleingang stand. Das Seidenkleid der Zauberin glitzerte vor juwelenbesetzten Perlschnüren, und das fast schon übertrieben modische Oberteil ließ unter der schweren Halskette aus Perlen und Gagat, die sie über den bloßen Brüsten trug, halbmondförmig die Ansätze ihrer Nippel erkennen. Das ebenholzschwarze Haar wurde von einem ähnlichen Juwelennetz zurückgehalten, wodurch der anmutige, weiße Hals um so besser zur Geltung kam.
Seregil stupste Alec behutsam an und scheuchte ihn vorwärts. »Komm mit, Sir Alec. Begrüßen wir unsere erlauchten Gäste.«
»Willkommen in meinem Haus, Lady Ylinestra«, sagte er und trat vor, um ihr die Hand zu küssen.
»Danke, Lord Seregil«, erwiderte sie und nickte kühl. »Und das ist gewiß Euer neuer Gefährte, über den ich schon soviel gehört habe.«
»Alec von Ivywell«, bestätigte Alec und fragte sich, von plötzlichem Unbehagen erfüllt, ob sie sich noch an ihr erstes kurzes und stürmisches Aufeinandertreffen im Orëska-Haus erinnerte. Wenn dem so war, ließ sie es in keiner Weise erkennen. Sie streckte ihm die Hand entgegen und zog ihn mit einem atemberaubenden Lächeln in ihren Bann. »Ah, ein Mycener. Wie erfreulich.«
Sie erwartete zweifellos, daß er ihre Hand küßte, und so beugte er sich pflichtbewußt darüber. Ein schwacher Duft stieg ihm in die Nase, zart und doch eigenartig fesselnd. Ihre Hand, so warm, so sanft, verharrte in der seinen, und als er den Kopf hob, wanderte sein Blick über ihre Brüste zu ihren allerliebsten, violetten Augen empor, und zwar so bewußt genießerisch, wie er es sich nie im Leben zugetraut hätte. Immer noch hielt sie ihn fest, und ihre tiefe Stimme jagte ihm nie gekannte Schauer über den Körper, als sie das Wort ergriff.
»Nysander spricht so löblich von Euch, daß ich hoffe, wir lernen uns noch näher kennen.«
»Es wäre mir eine Ehre, Lady Ylinestra«, erwiderte Alec, der das Gefühl hatte, die eigene Stimme aus weiter Ferne zu vernehmen. Endlich entzog sie ihm die Hand, und die Welt kehrte in ihren Normalzustand zurück.
»Guten Abend«, sagte Thero kurz angebunden und wirkte mit einem Schlag wesentlich weniger erfreut, hier zu sein.
»Verzeiht Theros schlechte Laune«, murmelte Ylinestra und zog Alec abermals in den heimeligen Bann ihrer Augen. »Er ist nur hier, um mir eine Freude zu bereiten und deshalb leicht reizbar. Komm, Thero, vielleicht vermag ein bißchen Wein deine Stimmung zu heben.«
Als er sie in die Menschenschar führte, stellte sich ihnen der Schauspieler Pelion in den Weg und verbeugte sich elegant. Thero marschierte mit einem kurzen, besitzergreifenden Nicken an ihm vorbei. Pelion wich einen Schritt zurück, dann schaute er Ylinestra mit liebeskranken Augen nach.
»Aha, das ist also die hoffnungslose Liebe des Schauspielers«, bemerkte Seregil und grinste. »Da hat er heute nacht aber einen schwierigen Nebenbuhler.
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