Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
an Deck«, antwortete Nettles. »Skywake, du warst da, und der Küchenjunge.«
»Genau. Und Applescaith. Der hat ihm doch vorgeschlagen, den ganzen Weg über Land zurückzulegen, weißt du noch?«
»Aye. Er war auch da. Und Bosfast.«
Alec starrte trübsinnig in den Weinbecher. Sein Mund bildete eine schmale Linie. Wie hatte er nur derart dumm sein können? Ebensogut hätte er ihren Verfolgern eine Karte zeichnen können.
Seregil trank einen weiteren Schluck Wein, während er sich das Gesagte durch den Kopf gehen ließ. »Und so habt Ihr alles hingeschmissen und seid nur mit ein paar ungewissen Vermutungen im Gepäck nach Skala aufgebrochen, um mir ein Messer in den Leib zu rammen?« Unverkennbar belustigt, schüttelte er den Kopf. »Rhíminee ist eine große Stadt. Wie, um alles in der Welt, habt Ihr gehofft, uns zu finden?«
Rhal fuhr sich mit der Hand durch das schüttere Haar und ließ ein abgehacktes Kichern vernehmen. »Also wenn Ihr nicht unverfroren seid, dann weiß ich auch nicht. Na schön, ich sag’s Euch offen und ehrlich: Ihr seht einem gebrochenen Mann ins Gesicht. Alles, was ich retten konnte, sind meine Instrumente und das hier.«
Rhal hob die linke Hand, wodurch er einen großen Granatring an seinem kleinen Finger entblößte. Alec erkannte ihn als den Ring, den Seregil als Lady Gwethelyn getragen hatte, doch wie kam er an Rhals Finger? Als er zu Seregil schaute, sah er, daß der Ansatz eines Lächelns um die Mundwinkel seines Freundes spielte.
»Da die Pfeil unmöglich wieder auf Vordermann gebracht werden kann und zudem der Winter bevorsteht, sehe ich im Norden keine Zukunft für mich«, fuhr Rhal fort. »In meiner Jugend war ich Hochseekapitän. Als mein Onkel mir sein Schiff vermacht und dadurch die Gelegenheit eröffnet hat, mein eigener Herr zu werden, begann ich, die Folcwine-Straße zu befahren. Und jetzt, da sich im Frühling ein Krieg ankündigt, spiele ich mit dem Gedanken, mich bei der Marine zu verpflichten.
Um ganz ehrlich zu sein, ich habe eigentlich gar nicht damit gerechnet, Euch zu finden. Dann habe ich zufällig Euren Jungen gesehen, etwa zu der Zeit, als Ihr all den Ärger mit dem Gesetz hattet. Seitdem haben wir Euer Scheinzuhause im Auge behalten und auf eine Gelegenheit für ein gemütliches Schwätzchen gehofft. Aber es ist verflucht schwierig, Euch beide aufzuspüren.«
»Ihr habt mich also in jener Nacht verfolgt«, stellte Alec fest.
»So ist es.« Reumütig grinsend, rieb sich Rhal das Knie. »Du bist ein gerissener kleiner Mistkerl, und noch dazu ziemlich flink. Ich habe Euch beide für verweichlichte Gecken gehalten, die uns keinen Ärger bereiten würden. Aber nachdem ich gesehen habe, wie ihr Euch in der Gasse geschlagen habt, bin ich froh, daß diese Straßenräuber nicht ein wenig früher oder später aufgetaucht sind.«
Seregil bedachte den Kapitän mit dem ihm eigenen, schiefen Grinsen. »Vielleicht war es für uns alle Glück, daß wir uns wiedergetroffen haben.«
»Wie kommt Ihr denn darauf?«
»Ihr beide«, damit wandte sich Seregil an Skywake und Nettles, »habt ihr etwa Lust, als gewöhnliche Seeleute anzuheuern, gerade jetzt, wo ein Krieg bevorsteht?«
»Wir gehen dorthin, wo unser Kapitän hingeht«, erwiderte Skywake trotzig, wenngleich unschwer zu erkennen war, daß die Aussicht weder ihn noch den früheren Ersten Maat begeisterte.
Seregil drehte sich wieder zu Rhal um. »Und Ihr, Kapitän – Euch fiele es gewiß noch schwerer zu dienen, nachdem Ihr schon einmal ein eigenes Schiff besessen habt.«
In Alec begann eine Ahnung zu reifen, wohin diese Unterhaltung führen würde.
»Natürlich wäre ich der letzte, der jemandem ausreden würde, gegen die Plenimaraner zu kämpfen«, meinte Seregil gedehnt, »aber ich finde, es gibt lohnendere Wege, diese Aufgabe zu erfüllen. Habt Ihr schon einmal die Freibeuterei in Betracht gezogen?«
»Aber ja doch.« Rhal zuckte mit den Schultern und musterte die Miene seines Gegenübers mit dem verschlagenen Interesse eines gerissenen Geschäftsmannes. »Aber dafür braucht man ein robustes, schnelles Schiff und mehr Gold, als ich vermutlich in meinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen werde.«
»Was man dafür braucht«, widersprach Seregil und faßte in die Gürteltasche, »sind die richtigen Investoren. Könnt Ihr damit etwas anfangen?«
Seregil öffnete die Hand und zeigte den Seeleuten einen walnußgroßen Smaragd, der auf seiner Handfläche funkelte. Es handelte sich um einen von zahlreichen
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