Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
dunkle Ahnung hatte.
Für Alec hatte jener unvorhergesehene Zusammenstoß mit Rhal der Nacht jede Freude geraubt. Er quälte sich in einem Dämmerzustand ungewisser Angst durch die anstehende Aufgabe. Bislang hatte Seregil kein weiteres Wort über die Angelegenheit verloren, doch Alec war überzeugt, daß sein unreifes, tolpatschiges Verhalten an Bord der Pfeil Rhal nach all den Monaten zu ihnen geführt hatte. Und wenn es ihm gelungen war, sie aufzuspüren, konnte es Mardus erst recht gelingen.
Zum Glück erwies sich der Einbruch als wenig anspruchsvoll. Da Makrin offenbar ein selbstgefälliger, einfallsloser Bursche war, hatte er die Briefe in einer verschlossenen Schatulle hinter einem losen Brett der Holzvertäfelung seines Arbeitszimmers versteckt. Seregil fand die Stelle, während Alec noch den Inhalt des Schreibtisches durchwühlte. Mit Lady Isaras Briefen sowie einigen anderen interessanten Gegenständen im Gepäck hielten sie kurz in der Radstraße an, um ihre Beute zwischenzulagern, dann ritten sie zur Laube.
Dabei handelte es sich um eine unauffällige, ehrbare Wirtschaft, die Seregil des öfteren für Treffen heranzog. Ein gähnender Schankbursche führte sie in ein Hinterzimmer. Rhal war bereits da, jedoch nicht allein; Alec erkannte in den beiden Männern bei ihm auf Anhieb den Steuermann und den Ersten Maat der vom Pech verfolgten Pfeil. Auch sie erkannten ihn und erwiderten seinen Gruß mit einem zurückhaltenden Nicken, wobei sie die Hände dicht an den Waffen behielten.
Rhal schob einen Weinkrug herüber, als Seregil und Alec sich zu ihm an den Tisch gesellten.
Seregil schenkte sich einen Becher ein, dann forderte er den Kapitän ohne lange Vorreden auf: »Erzählt uns mehr über Greshers Fähre.«
Rhal musterte ihn mit wissendem Blick. »Wie ich schon sagte, eine Bande bewaffneter Männer hat uns dort aufgelauert.«
»Ein gefährlich aussehender Haufen«, fügte Skywake, der Steuermann, düster hinzu. »Sie trugen zwar keine Uniformen, aber sie saßen wie Soldaten auf den Pferden.«
Alecs Mut sank noch tiefer, wenngleich Seregils Züge keinerlei Regung verrieten.
»Sie haben nach zwei Männern und einem Jungen gefragt und behauptet, die drei hätten droben in Wolde das Gold des Bürgermeisters gestohlen«, fuhr Rhal fort. »Als ich sagte, ich hätte niemanden befördert, auf den die Beschreibung paßt, haben sie die Waffen gezogen und sind auf meinem Schiff ausgeschwärmt, daß es dreister kaum geht. Dann hat sich ihr Anführer – ein großer Hundesohn mit schwarzem Bart und einem Akzent so zäh wie Linseneintopf – meine Wenigkeit zur Brust genommen und mich vor versammelter Besatzung einen Lügner und noch Schlimmeres geschimpft. Je ausfallender er wurde, desto weniger hat mir das Ganze gefallen. Als er endlich eine Pause zum Luftholen einlegte, wäre ich lieber ertrunken, als ihm die Befriedigung zu gönnen. Also habe ich den Mund gehalten, bis sie schließlich davongeritten sind.
Wir fuhren weiter flußabwärts, und ich dachte, damit wäre die Sache erledigt, aber in derselben Nacht brach im Laderaum ein so heftiges Feuer aus, daß wir nicht einmal hinunterkamen, um es zu löschen. Zwar konnten sich alle an Bord rechtzeitig in Sicherheit bringen, aber mein Schiff liegt ausgebrannt und zerschellt an der Schlammbank unterhalb von Hullout Bend. Für meinen Geschmack ist das kein Zufall mehr, vor allem, wenn man bedenkt, daß wir auf jener Reise Silber und Pergamentballen befördert haben.«
»Keine unbedingt leicht brennbare Ladung.« Gleichmütig musterte Seregil den Kapitän über den Becherrand hinweg. »Und so habt Ihr Euch auf die Suche nach uns gemacht.«
»Ihr wollt mir doch hoffentlich nicht einreden, Ihr wärt nur deshalb verkleidet gereist, um aus mir einen Narren zu machen, oder?« schnaubte Rhal verächtlich.
»Nein.«
Nettles ließ die Faust auf den Tisch niedersausen. »Also waren sie wirklich hinter Euch her?«
»Darüber weiß ich nichts«, beharrte Seregil. »Vielmehr interessiert mich, wie Ihr mich gefunden habt.«
»Das war keine große Sache«, antwortete Skywake und deutete mit dem Daumen auf Alec. »Kurz, bevor Ihr von Bord gegangen seid, hat sich der Junge da bei der Besatzung erkundigt, wie man nach Rhíminee gelangt.«
Idiot! schalt sich Alec stumm, das nun seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt waren.
»Mit wem hat er gesprochen?« wollte Seregil wissen, ohne Alec anzublicken.
»Soweit ich mich erinnern kann, waren an dem Tag ein paar von uns
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