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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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vornehm gekleidete Dame ging auf Aina zu, sprach ein verhaltenes Lob aus und überreichte ihr eine Visitenkarte.
    »Ich bin sicher, dass Sie die Prüfung bestanden haben. – Kommen Sie doch gelegentlich einmal bei mir vorbei.«
    Auf der Karte stand: »Rana Ampoinimera, Klavierlehrerin«.
    Merkwürdiger Name!, fand Aina. Erst jetzt kam sie dazu, die Dame etwas genauer zu betrachten.
    Die elegante, ja stolze Erscheinung der Frau imponierte ihr. Im Gegensatz zu ihr selbst wirkte sie selbstbewusst und dominierend. Das Alter konnte man nur schwer einschätzen.
    Nicht über 50, vermutete Aina.
    Die vollen, pechschwarzen Haarsträhnen fielen der Frau ins Gesicht und ließen nur noch die Augen frei, die mit ihrer tiefen Mahagonifarbe an die Blüten einer Bougainvillea erinnerten. Mit einer fahrigen Handbewegung bändigte sie ihre Lockenpracht, und ein südländischer Gesichtstyp kam zum Vorschein.
    »Wir könnten im Terzett musizieren. Mein Sohn Radamo spielt ausgezeichnet Querflöte.«
    Aina musste unwillkürlich an das kleine Erlebnis von heute Morgen denken. Aber sie konnte in ihrer momentanen Situation nicht länger darüber nachsinnen. Jetzt, wo alles zu Ende war, wurde sie plötzlich wieder nervös, packte eilig ihre Sachen zusammen und verschwand.
    Diese Nacht würde sie sicherlich nicht gut schlafen.

     

     

Kapitel 3: Ainas Traum

    Ich falle und falle.
    Verzerrt lachende Masken, riesige glühende Schmetterlinge, kopfwärts durch die Gewitterwolken stampfende Segelboote und bunte Butzenscheibenglassplitter fliegen an mir vorbei.
    Ein grüner Strand voller rückwärtskriechender Ameisen, ein wasserspeiender Vulkan, ein bizarrer Wüstenurwald.
    Plötzlich eine endlose Ebene.
    Die Füße kleben am Boden.
    Ich kämpfe um jede Bewegung.
    Meine hochgereckten Arme erstarren.
    Ich bin ein blauer Lemur, dessen Herzschlag immer lauter wird.
    Mpilalao.
    Ich bin am Ziel.
    Aber kein Ende, keine Ruhe.

     
    Wie ein Kontrapunkt nähert sich ein pulsierender Rhythmus von Trommeln und übertönt rasch das Herzpochen.
    Schrilles Pfeifen von Meeresmuscheln mischt sich mit dem infernalischen Gesang von wild tanzenden Marionetten.

    Wortfetzen.

    »Fady – Fady – Fady – Fady – Fady – Fady …«

    Plötzlich das Gesicht eines Alten.
    Ombiasy.
    Magisch leuchtende Masken.
    Sie suchen mich, bedrängen mich, berühren mich, bespucken mich, ritzen mich am Oberarm.
    Beißender Schmerz, silbernes Wasser und purpurnes Blut.
    Eine Scheibe.
    Unten ein Rinderkopf mit spitzen, riesigen Hörnern.
    In der Mitte ein Tropfen Herzblut.
    Oben der sich spreizende Wedel vom Baum der Reisenden.
    Ich bin daheim, doch ich bin fremd.
    Ich bin fern, doch ich bin geborgen.

     
    Holzpfähle mit Figurschnitzereien stampfen einen Kreis in die staubige Erde.
    Die Marionettenmasken formen sich zu einem Paartanz.
    Sie zwingen mich in ihre Mitte.
    Kein Entrinnen.
    Der Alte hält mir Holztafeln vors Gesicht.
    Das Erbe der Ohren.
    Deine Ahnen.
    Deine Geschichte.
    Fremde Mächte reißen dir die Wurzeln aus.
    Dein Schicksal.
    Mpanandro.
    Wer bin ich?
    Wo komme ich her?
    Wo gehe ich hin?

     
    Und immer wieder:
    »Fady – Fady – Fady – Fady – Fady – Fady …«
    »Fady – Fady – Fady – Fady –«
    »Fady –«
    »Fa…«
    »a…«

     

     

     

     

Kapitel 4: Mandelaugen

    Das Mädchen mit den Mandelaugen lief, ohne seinen Eltern Bescheid zu geben, in die Innenstadt. Es stromerte lässig durch die Gassen und hatte sich ein Spiel ausgedacht. Es wollte vor einer Schaufensterscheibe stehen bleiben und die Augen schließen, um anhand des Klanges der Schritte und der Gesprächsfetzen der Passanten zu raten, was für Menschen da gerade vorbeigingen. Dann konnte es die Augen wieder öffnen und die Widerspiegelung der Menschen in der Scheibe studieren. Wenn seine Vermutung richtig war, durfte es ein Schaufenster weiter vorrücken. Bald hatte es das Mädchen in seinem Spiel zu einer wahren Meisterschaft gebracht. Schnell lernte die Kleine, Touristen, Hausfrauen, Liebespaare oder Rentner zu unterscheiden. Nur bei den Berufstätigen, dem Briefträger, dem Schornsteinfeger oder dem Eilboten fiel es ihr schwer. Und manchmal schloss sie überhaupt nicht Augen, weil die Auslage so verführerisch aussah. Gern träumte das Mädchen mit den Mandelaugen davon, welche der schönen Sachen später wohl ihm gehören würden.
    Im Moment fehlte jedoch leider das Geld. Um genau zu sein, es hatte nicht einen einzigen Penny in der Tasche. Dort ruhte nur sein kleines

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