Schattengold
reine Lüge.
»Also hat mich das Biest hintergangen!«, fluchte er. Er hatte keine Idee, wie man an die Frau herankommen konnte. Ihre Wohnung blieb unbenutzt, und es gab keinen Hinweis auf mögliche Verstecke oder Fluchtorte.
Und bei der Polizei konnte er sich natürlich nicht melden. Also nahm er verdrossen seine Arbeit im Archiv wieder auf und schwor sich, in Zukunft nicht mehr auf Frauen hereinzufallen.
Das galt leider auch für Frau Grell, die wieder nach jemand anderem Ausschau halten musste.
Im Burgklostermuseum ging das Leben seinen gewohnten Gang. Der Wärter durchstreifte gelangweilt die leeren Räume. In dieser ungemütlichen Jahreszeit herrschte nicht unbedingt Publikumsandrang. Touristen kamen nur selten in die Stadt. Alles lag und stand an seinem Platz.
Der Münzschatz auch.
Erst kurz vor Weihnachten, als die Museumsdirektorin den berühmten Schatz einer Expertenkommission zeigen wollte, gab es helle Aufregung in den ansonsten stillen Klostermauern. Ihr als Gralshüterin fiel sofort auf, dass die Münzen nicht mehr in der Weise angeordnet waren, wie sie sie seinerzeit anlässlich der Einweihung der Vitrine hinterlassen hatte. Verlegen musste sie vor den Kollegen nach Ausreden suchen, um die nunmehr falsch zugeordneten Beschriftungen zu erklären. Die waren wohl der Meinung, sie hätte von Münzdatierungen überhaupt keine Ahnung.
Außerdem lag Mörtelstaub auf der Samtdekoration. Nicht gerade ein vorbildlich geführtes Haus, meinte der eine oder andere ausländische Experte.
Wie das passieren konnte, war ihr ein Rätsel. Niemand außer ihr kam an den Schlüssel zur Glastür heran.
Am folgenden Tag ließ sie die Abteilung schließen. Das wäre zwar nicht unbedingt nötig gewesen, da ohnehin nur wenige Besucher ins Haus kamen, aber so konnte sie in Ruhe die Vitrine wieder aufräumen und die Münzen katalogisieren.
Dabei stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, dass genau eine Münze fehlte. Sie besaß keinen besonderen Wert. Aber wie konnte sie verschwunden sein? Wahrscheinlich hatte sie seinerzeit bei der Einrichtung der Ausstellung einen Fehler gemacht, dachte sie.
Der Hausmeister musste bei der Gelegenheit die rückwärtige Wand, von der der Mörtel allem Anschein nach gerieselt war, ausputzen und neu verfugen. Der gute Mann machte seine Arbeit nicht gerade lustvoll. Insgeheim wurmte es ihn schon die ganze Zeit, dass der Baggerführer, ein einfacher Arbeiter wie er, damals nur mit einem Finderlohn abgespeist worden war. Und weil er in Gedanken so beschäftigt war, fiel es ihm nicht auf, dass jemand die Backsteine einfach herausgebrochen und später wieder eingesetzt hatte.
*
Am Tag nach dem nunmehr unentdeckt gebliebenen Einbruch brachte der Postbote ein Päckchen in das Büro der Regionalen Kriminalbehörde. Frau Grell fiel in Ohnmacht, als sie es öffnete.
Eine abgehackte Hand kam zum Vorschein. Am Rumpf des Handgelenks hing ein Dutzend billiger Modeketten. In der durch die Totenstarre verkrampften Hand verbarg sich eine alte Münze.
Außerdem lag ein Blatt in dem ehemaligen Schuhkarton: ›Das war im Mittelalter die Strafe für Diebstahl an öffentlichem Eigentum. – kankana.‹
Kroll erkannte sofort den Modeschmuck der Roten Rabea. Ein heftiger Stich durchfuhr seine Herzgegend. Ausgerechnet Rabea, die Frau, dessen verführerische Oberweite ihn nachts nicht schlafen ließ. Wie konnte sich jemand nur so bestialisch an einer Frau vergreifen?
Die Laboranalyse ließ keinen Zweifel, dass die Hand abgetrennt wurde, nachdem der Tod eingetreten war. Kroll schickte Hopfinger in Rabeas Wohnung. Alles deutete auf eine überstürzte Abreise hin. Es bestand für den Inspektor kein Zweifel: Die Frau war Opfer eines viehischen Verbrechens geworden. In den Kreisen der Unterwelt, in denen sie verkehrte, galt Mord als Tabu. Was war also geschehen, dass jemand zu einem derartig brutalen Mittel griff und dann auch noch ganz offensichtlich eine Leiche schändete? In Lübeck hielt Kroll niemanden für fähig, eine solche Tat zu begehen.
Oder war es ein Kunde, der seine perverse Wollust an der Roten Rabea ausgetobt hatte? Kroll hielt auch das für wenig wahrscheinlich. Es wäre schon ein überraschender Zufall, wenn der einen dieser sattsam bekannten Zettel hinterlassen hätte. Und selbst die international agierenden Hehlerbanden, die er kannte, hielt er nicht für so brutal. Außerdem kannten die sich bestimmt nicht mit der mittelalterlichen Rechtsprechung aus.
In Rabeas Wohnung fand die Polizei
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