Schattengold
zur Herstellung von teurem Schmuck weiterverarbeitet werden konnte. – Auch das untermauerte seine Vermutung vom Zusammenhang zwischen den Toten und den Schmuckdiebstählen.
Sein erster Gedanke galt dem verdächtigen Uhrmachergesellen. Hatte er die Morde im Zuge der anderen Verbrechen begangen? Die Personenbeschreibung des Diebes, der in dem Schacht an der Wallanlage verschwunden war, passte auf ihn.
Andererseits traute er es dem einfachen Handwerker nicht zu, sich einer ausgefallenen Sprache wie dem Malagasy zu bedienen. – Was aber, wenn er Hintermänner hatte?
Kroll spürte, dass sich das Netz zusammenzog. Jetzt war seine Zeit gekommen.
*
In seinem Dienstzimmer hing eine große Karte der Stadt. Er markierte darauf mit farbigen Stecknadeln alle infrage kommenden Tatorte. – Und siehe da: Die Nadeln verdichteten sich im südlichen Bereich der Stadt rund um das Marionettenmuseum.
Der Inspektor entschloss sich, noch am gleichen Tage all diese Orte aufzusuchen. Vielleicht fand er eine neue Spur oder zumindest Hinweise auf Querverbindungen zwischen den Taten.
Als Erstes war die nahegelegene Marienkirche dran. Den Aufstieg in die Kuppelgewölbe ersparte er sich. Stattdessen setzte er sich auf eine Kirchenbank gleich gegenüber der Astronomischen Uhr, um in Ruhe über die Ereignisse nachzudenken.
Als er zufällig seinen Blick aufwärts richtete, stockte er. Die Kritzelei im Holzgehäuse irritierte ihn.
›Ny fotoana dia fifanakalozan’ny fiainana sy fahafatesana.‹
Er strich sich mit dem Nagel des linken Daumens über die Stirn.
›fotoana‹, ›fiainana‹, ›fahafatesana‹ – Wo hatte er diese Worte schon einmal gesehen? – Richtig: auf dem Zettel im Musiksaal der Oberschule, wo der verschollene Philosoph einen Vortrag über die Zeit gehalten hatte: ›Zeit‹, ›Leben‹, ›Tod‹.
Zeit … Der Begriff könnte ein Bindeglied zwischen der Astronomischen Uhr und dem Philosophievortrag sein. Außerdem passte er zum Uhrmachergesellen.
Aber was hatte der Tod des Küsters mit dem des Lehrers zu tun? War die Inschrift an der Astronomischen Uhr vielleicht eine heimliche Botschaft an einen ausländischen Hehlerring, gewissermaßen ein toter Briefkasten? Sollte sich Hopfingers Theorie doch als richtig erweisen?
Und noch etwas fiel Kroll auf: Offenbar hatte er es hier mit einem vollständigen Satz auf Malagasy zu tun. So ein relativ kompliziertes Gebilde konnte ein Laie unmöglich aus einem Wörterbuch ablesen. Da musste jemand tatsächlich gute Kenntnisse der Sprache gehabt haben.
Aber wer? Immer neue Fragen – und immer noch keine Lösung in Sicht.
Kroll raffte sich auf und begab sich schnellen Schrittes in die Oberschule. Dort war gerade große Pause. Der Lärm der Schüler nervte ihn. Lehrer möchte ich nicht sein. Ein wirklich höllischer Beruf! Diese Unruhe, dieses Gedränge. Und dann soll man auch noch Erziehungsaufträge ausüben? Mir reichen die Verbrecher, die wenigstens im Stillen operieren, dachte er.
Frau Cortes führte ihn in den Musikraum, dem ehemaligen Refektorium des Katharinenklosters.
»Sie werden nicht wissen, dass ich die Mutter der jungen Sängerin bin, die vor ein paar Monaten im Konzertsaal der Hochschule Ravel sang. – Man sagte mir, einer Ihrer Mitarbeiter sei unter den Zuhörern gewesen. Hatte das mit dem entsetzlichen Tod des Pedells zu tun?«
»Entschuldigen Sie, aber Sie werden verstehen, dass ich über laufende Ermittlungen keine Auskünfte erteilen darf.«
Kroll wandte sich von ihr ab, öffnete den Deckel des schon ein wenig mitgenommenen Flügels und schlug wahllos ein paar Tasten an. Sofort füllte sich der Raum mit warmem Klang.
»Interessieren Sie sich auch für Musik?«
»Ja, besonders für Led Zeppelin.« Er hob den Kopf und ließ seinen Blick über das Deckengewölbe streifen, um dem Geheimnis des Klanges nachzugehen.
Frau Cortes blickte ihn verständnislos an. Davon hatte sie noch nichts gehört. Kroll bemerkte es nicht, denn er entdeckte die kleine Lücke im Gewölbebogen.
»Kann ich bitte den Nebenraum sehen?«
»Natürlich.« Sie begaben sich in den abgetrennten Teil des ehemaligen Refektoriums. Inzwischen hatte es zum Unterricht geläutet, und für eine Klasse begann nebenan der Musikunterricht. Kroll stellte sich direkt unter einen Gewölbestein und konnte jedes Wort, ja, jedes Luftholen des Lehrers von nebenan mitverfolgen.
»Ein idealer Ort, um jemanden abzuhören«, meinte er. Er holte eine seiner selbstgedrehten Zigaretten und das
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