Schattengold
den historischen Funden interessiert ausgeben. Der Wärter hielt unauffällig Schritt.
Jetzt wurde es Ernst. Sie las das Hinweisschild zum Münzschatz. Es ging eine Treppe hinab in die Kellergewölbe des Museums. Der Verfolger blieb am Eingang stehen. Hier unten verbarg sich alles in einer Kellernische, die vorn mit schwerem Panzerglas abgeschottet war. Da konnte niemand etwas stehlen oder beschädigen.
Rabea schien sich außerordentlich für die architektonische Gestaltung der Gemäuer zu interessieren. Tatsächlich prägte sie sich genau die Standorte der Überwachungskameras ein.
Da lag der Münzschatz greifbar vor ihren Augen. Doch die Sicherheitsscheibe trennte sie von dem Ziel ihrer Begierde. Auch konnte sie die kleinen Streifen erkennen, die bei Zerstörung der Glasscheibe Alarm auslösen würden.
Auf dem direkten Weg kam man nicht weiter, das wurde ihr klar. Daher untersuchte sie das Mauerwerk genauer. Es kam ihr sehr grob und provisorisch vor. Wahrscheinlich wurden hier unten im Laufe der Jahrhunderte mehrere Umbauten vorgenommen. Es war nicht auszuschließen, dass sich hinter dem Schaukasten mit dem Münzschatz weitere Räume und Gänge befanden.
»Ich muss mir Unterlagen über den Bau beschaffen. Vielleicht kann mir der junge Typ von neulich helfen, der angeblich Assistent im Stadtarchiv ist. Er könnte sich mit einem Freundschaftsgefallen revanchieren, schließlich waren meine Liebesdienste ja auch nicht ohne.«
Fürs Erste zufrieden kehrte die Rote Rabea ans Tageslicht zurück.
*
Die von der Roten Rabea in Auftrag gegebenen Recherchen des jungen Archiv-Assistenten über die Kellergänge des Burgklosters blieben nicht unbeobachtet. Da sich auch Adrian Ampoinimera für die alten Baupläne interessierte, fiel ihm auf, dass sich jemand anderes an den Dokumenten zu schaffen gemacht hatte.
Er deponierte eine seiner fernlenkbaren Videokameras an geeigneter Stelle und beobachtete kurze Zeit später zu Hause auf seinem Monitor, wie sich der Assistent mit der Roten Rabea in den dunklen Kellern des Stadtarchivs vergnügte. Da er alles andere als ein Spanner war, schärfte er sein Augenmerk erst, als die beiden zur eigentlichen Sache übergingen.
Adrian schaltete das Abhörmikrofon ein.
»Hier haben wir die Aufzeichnungen von den Umbauten aus den Jahren 1893–1896. Sie zeigen deutlich Überreste von einem unterirdischen Gang hinunter zur Altenfähre. Ich erinnere mich, darüber schon einmal in älteren Quellen gelesen zu haben.«
Er holte ein völlig verstaubtes Buch aus einem unter Verschluss stehenden Glaspanzerschrank und legte es vorsichtig auf den Lesetisch.
»Hier, ein Traktat von Gotthard von Hövel aus dem Jahre 1666. Er berichtet davon, dass im Jahre 1399 das Burgkloster von seinen Mönchen neu erbaut wurde. In diesem Zusammenhang sollen sie einen heimlichen unterirdischen Gang vom Kloster bis hin zum Eckhäuslein an der Kleinen Burgstraße und der Altenfähre gegraben und dort ›Weiberjagd getrieben‹ haben.«
Rabea brachte genügend Verständnis mit den armen Mönchen auf, um das nicht zu verurteilen. Sie wollte mehr wissen.
»Dieser Gang müsste dem Plan nach irgendwo unter deiner Wohnung an der Burgtreppe vorbei gegangen sein. Da sollten wir weiterforschen.«
»Wenn du weiter mitmachen willst, beteilige ich dich mit einem Drittel und erfülle dir obendrein ein Jahr lang alle Wünsche«, sagte Rabea, die stets praktisch veranlagt war. Sie bot ihm die Hand.
Besonders das Letztere klingt verlockend, dachte sich der junge Mann und schlug ein.
Am nächsten Tag bekam Rabea Herrenbesuch, was an sich nichts Ungewöhnliches war. Dieser Kavalier jedoch hatte weder Blumenstrauß noch Schmuckangebinde in der Hand, sondern Hacke und Spaten. Gut, dass es bereits dämmerte, sonst hätten die Nachbarn in ihrer Verwunderung und mit ihrer abgründigen Fantasie Alarm geschlagen.
Die ganze Nacht über rumorte es in den Kellerverliesen der engen Altstadtgasse. Endlich fanden die beiden einen völlig verwitterten und verdreckten, halb eingefallenen Gang. Mutig erkundeten sie ihn, der Assistent mit einem GPS und einer Taschenlampe, Rabea mit einer Skizze des alten Bauplans in der Hand.
Beide gingen völlig in ihrer Schatzsuche auf. Unbemerkt verfolgte sie ein kleiner mechanischer Vogel, der mit Kameraaugen ausgestattet war.
Oben schlug eine Turmuhr Mitternacht. Im Burgklostermuseum war längst das komplizierte Sicherheitssystem eingeschaltet worden, die Wärter hatten Feierabend. Nachbarn,
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