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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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die etwas hätten hören können, gab es hier nicht. Außerdem war morgen Montag, der Ruhetag in allen öffentlichen Museen. Bis übermorgen früh würde niemand etwas bemerkt haben.
    Der Gang hörte vor einer schlecht gefugten Mauer auf. Der Archiv-Assistent bohrte an dem brüchigen Mörtel. Er konnte die alten Backsteine fast mit bloßer Hand herausreißen. Vorsichtig brach er eine kleine Öffnung in die Wand.
    Gedämpftes Licht trat den beiden Höhlenforschern entgegen.
    »Die Kammer mit dem Münzschatz!«, rief er aufgeregt.
    Jetzt konnte sich die Rote Rabea nicht mehr zurückhalten. Energisch drängte sie ihren Liebhaber zur Seite und begann, ein kniehohes Loch zu buddeln. Es reichte aus, um mit dem Spaten und der Hacke an die Münzen heranzukommen. Die Museumsverwaltung hatte offenbar übersehen, dass die Rückwand der Ausstellungskammer nur aus einer altersschwachen Mauer bestand, hinter der sich ein ihr unbekannter Geheimgang befand. Also hatte man sich bei der Sicherung des Münzschatzes mit einer vorderseitigen Panzerglasscheibe begnügt, die mit einem ausgeklügelten Sicherheitsschloss verschlossen wurde. Eine Alarmanlage sollte im Falle seines gewaltsamen Öffnens sofort die Polizei rufen.
    Leider ahnte niemand, wie leicht es war, sich den Münzen von hinten zu nähern.
    Behutsam barg Rabea Stück für Stück. Ihr Partner sammelte sie in einer Einkaufsplastiktüte. Vorher hielt er jeden Taler in den Kegel der Taschenlampe. Als Kenner wusste er seinen Wert einzuschätzen.
    Er grunzte zufrieden. »Das reicht, um bis an das Lebensende nicht mehr in verstaubten Archiven herumsitzen zu müssen!«
    Rabea hatte andere Pläne. Die wollte sie ihm jedoch noch nicht verraten, wer weiß, was er mit ihr dann angestellt hätte.
    Endlich war das Werk vollbracht. In der Kammer lagen nur noch die Seidendekoration und die kleinen Plastikhalterungen, die die Münzen vorher zur Schau gestellt hatten. Die Alarmanlage war nicht angesprungen, da sie sich an dem vorderen Panzerglas orientierte. Das hatten die Diebe natürlich nicht angerührt.
    Sie begaben sich auf den Rückzug. In der Wohnung der Frau schütteten sie das Diebesgut auf den Tisch. Der Assistent sortierte die Stücke nach ihrem Wert und packte sie in verschiedene Frühstücksbeutel. Etwas Geeigneteres gab es im Hause der Roten Rabea nicht.
    Nun hielt es Rabea an der Zeit, ihren Plan auszubreiten.
    »Unten am Hafen liegt ein kleines Motorboot, die ›Fortuna‹. Der Zündschlüssel hängt im Schuppen sechs an einem Holzbord direkt neben dem hinteren Fenster. Ich habe das neulich ausgekundschaftet. Am besten, ich nehme den Zaster an mich und verstecke mich schon mal in dem Boot. Die Schiebeluke lässt sich einfach öffnen. Du gehst zum Schuppen und besorgst den Schlüssel. Dann können wir, ohne Spuren zu hinterlassen, stromaufwärts zum Meer fahren. Ich kenne eine ideale Anlaufstelle auf der anderen Seite der Bucht. Alles Weitere regeln wir dann später.«
    Der junge Mann war einverstanden. Was blieb ihm auch anderes übrig, da er sich in der Unterwelt nicht auskannte. Rabea legte sich ihren billigen Kettenschmuck an und warf sich einen Mantel über. Dann verließen beide unbeobachtet die Wohnung.
    Doch statt westlich zum Boot zu gehen, begab sie sich in die Parkanlage auf der östlichen Seite des Burghügels. Dort wollte sie die Beute vorerst verstecken.
    Sie setzte sich auf eine Parkbank, um sich im Schein einer Straßenlaterne in Ruhe nochmals den Schatz anzusehen. In dem abgelegenen Park und auf den Straßen war um diese Zeit nichts los.
    Rabea ließ ein paar Münzen durch ihre Finger rieseln. Dichter Nebel lag über der Stadt.
    »Das wird fürs Erste genügen. Jetzt mische ich die Oberliga der Unterwelt auf. Dieser Kerl, der Archivfuzzi, kann mir gestohlen bleiben. Ich setz mich ab ins Ausland und angele mir einen Millionär.«
    Sie erschrak heftig, als sich ein kleiner Vogel auf ihre Schulter setzte. In dem diffusen, schwachen Licht konnte sie nichts Genaueres erkennen. Wohl eine zahme Taube, dachte sie. Dass Vögel in der Regel nicht nachtaktiv sind, wusste sie nicht.
    Sie spürte kaum den feinen Stich, mit dem die Kralle des Vogels die Haut ihres Halses durchbohrte. Wie von Opium benebelt, lehnte sie sich willenlos zurück und verfiel in einen Schlaf, aus dem sie nie wieder aufwachen sollte.

     
    *

     
    Die Rote Rabea blieb verschollen, so sehr der junge Archiv-Assistent auch nach ihr suchte. Das mit dem Zündschlüssel und dem Motorboot erwies sich als

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