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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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protokolliert hatte.
    »Entschuldigt …« Simon stellte den Karren vor dem Schreiber ab.
    Dieser musterte den Jungen erst misstrauisch, dann lächelte er ihn an: »Ja?«
    »Ich habe ein Problem, und ich hoffe, dass ihr mir helfen könnt.« Inzwischen hatte Simon ausreichend Erfahrung im Lügen, auch wenn er nicht recht wusste, ob er darauf stolz sein sollte oder nicht. »Ich bin einige Tage gereist, nur um meine Waren hierher zu bringen. Man hatte mich aufgehalten. Ich wollte bereits heute Morgen hier sein. Heute findet doch in dieser Stadt eine wichtige Zeremonie statt. Und meine Früchte sollen Teil des Banketts sein, das dort aufgebaut ist. Und nun …«
    Der Schreiber zog die Augenbrauen in die Höhe. »Eine Zeremonie, sagst du? Was für eine Zeremonie?«
    »Ein Brauch zu Ehren Eures verstorbenen Herrschers. Heute. Im Palast. Ich …«
    »Im Palast?« Der Schreiber verlor alle Farbe aus dem Gesicht. »Oh, glaub mir, ich weiß sehr wohl, wovon du sprichst.« Er warf einen Blick auf die unterschiedlichen Früchte, die auf dem Karren lagerten. »Du musst dich beeilen«, sagte er dann zu Simon. »Diese herrlichen Früchte müssen rechtzeitig ankommen. Es sind die letzten Freuden für die Menschen, die dort … die dort …« Mehr wollte ihm nicht mehr über die Lippen kommen. Simon kam sich in diesem Moment schäbig vor. Hier nutzte er das traurige Schicksal eines Mannes aus, nur um den Weg zum Palast zu erfahren. Andererseits: Er versuchte ja, ein Leben zu retten.
    »Eigentlich müsste ich dich nach deinem Namen fragen und deine Waren aufschreiben«, sagte der Schreiber. »Doch dann ist es vielleicht zu spät. Und ich möchte doch, dass mein Bruder … diese Schätze auf deinem Wagen … Er …« Mit einem innerlichen Ruck zwang sich der Schreiber zur Ruhe. »Geh quer über den Platz. Du wirst einen Eingang sehen mit hohen Wandreliefs und zwei Statuen aus Lehm, die das Haus bewachen. Es sind göttliche Statuen. Du weißt schon: mit den hohen Kappen und den geweihten Hörnern daran. Dort gehe hinein.« Er bückte sich zu seinem Schreibplatz und zog eine kleine Tontafel und einen winzigen zylindrischen Gegenstand hervor, in den etwas eingraviert war. Mit geschickten Handgriffen rollte der Schreiber den Gegenstand durch den feuchten Ton. Die Gravur hinterließ auf der Tafel ein wunderschönes Bild von einemBauern, der seinen Weizen in den Armen trug und hinter dem ein Schaf abgebildet war.
    Simon verstand sofort: Dieser kleine Gegenstand war eine Art Stempel.
    »Das ist mein Siegel«, erklärte der Schreiber. »Nimm diese Tafel mit dir. Die Wache wird versuchen, dich aufzuhalten, doch den einen der beiden kenne ich sehr gut. Du wirst ihn sofort erkennen. Er hat eine viel zu kleine Nase für sein dickes Gesicht. Sprich mit ihm. Sag ihm, du kommst von mir. Zeig ihm dieses Siegel. Er wird es kennen. Sag ihm, Ban-Kuu hat dich geschickt. Und er soll dich sofort durchlassen. Sag ihm, er kann sich morgen eine Belohnung bei mir abholen. Sag ihm … Gib ihm … Sorge dafür, dass deine Waren meinen Bruder erreichen. Lass ihn …« Er stockte. »Nun geh! Steh hier nicht herum. Eile dich! Mach alles so, wie ich es dir gesagt habe.«
    Simon verbeugte sich höflich. »Ich danke euch.«
    »Du sollst gehen«, kam die schroffe Antwort. Damit wandte sich der Schreiber ab und verdeckte sein Gesicht mit dem Ärmel seines Gewandes.
    Hastig ergriff Simon die Deichsel und machte sich auf den Weg zu seinen Freunden. Caspar stand neben Neferti und Moon. Er
grinste Simon breit entgegen. Die Hände hielt er hinter dem Rücken versteckt, und Simon ahnte bereits, was Caspar dort wohl
verbarg.

Hörner.
Hörner, die aus hohen Kappen herausschauten.
Er bewunderte die Kunst der
Sumerer. Das hatte er schon immer getan, all die Jahrtausende hindurch.
Es kam ihm vor, als hätten sie sein Kommen
geradezu erwartet, diese Gottheiten, dort vorn, am Eingang des Palastes.
Sein Blick fiel auf die Wandreliefs an den
Seiten der Statuen, auf denen Menschen auf ihren Handelswegen abgebildet waren. Ein weiterer Beweis für die
außergewöhnlich hohe, Tausende Jahre alte Bildhauerkunst dieser Einwohner von Ur.
Sein Weg führte ihn geradewegs auf den
Palast zu, und mit jedem Schritt des Magiers wand sich der Schatten des Mädchens mehr und mehr in der Faust seines
Schattens.
Es war eine Freude für den Magier zu beobachten, wie sein Schatten die Angriffe des Mädchenschattens
abwehrte.
Der Kampf der beiden zeichnete sich deutlich auf dem Wüstensand ab, im

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