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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sicher, dass mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich diesen besonderen Schutz nicht gehabt hätte. Und wie hätte ich das einfach aufgeben sollen? Wie hätte meine Familie sich abwenden sollen von dem, woran sie seit Generationen glaubte? Also … also …« Nun fiel es Neferti wieder schwer zu sprechen. »Also haben wir den Pharao und Nofretete hintergangen. Heimlich haben wir unseren Glauben behalten und uns dabei ihm gegenüber so verhalten, als wenn wir seine Aton-Religion mittragen würden. Ich hoffe, du verstehst mich: Ich liebe Echnaton. Und ich verehre Nofretete. Aber ich konnte nicht … Niemand von uns hätte …«
    Simon nahm sie in seine Arme, und Neferti legte den Kopf auf seine Schulter. »Du hast dir nichts vorzuwerfen«, flüsterte er zärtlich in ihr Ohr. »Du hast nichts Falsches getan.«
    Er spürte, wie Neferti in seinen Armen weinte. Ein stilles, ein stummes Weinen. Simon war sicher, dass Neferti zum ersten Mal darüber gesprochen hatte. Und ihm wurde klar, wie sehr diese Situation sie zerrissen haben musste: zwischen ihrem Glauben und den Forderungen des Pharaos leben zu müssen.
    Einige Zeit standen die beiden so, eng aneinandergeschmiegt. Dann löste sich Neferti von Simon und wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht.
    »Ich danke dir für dein Vertrauen«, sagte sie und wandte sich Amarna zu.
    Simon schaute noch einmal zum Schiff, wo Caspar und Moon noch immer an der Reling standen und ihnen nachschauten,und er winkte ihnen zu, zum Zeichen, dass alles in Ordnung war und sie sich über diese kurze Unterbrechung keine Gedanken machen mussten.
    Dann machte er sich zusammen mit Neferti auf den Weg nach Amarna.
     
    »Tom!«
    Jessica zog ihn so hektisch an sich heran, dass Tom vor Schmerz aufschrie.
    »Mein Bein!«
    Sie schien ihn nicht zu hören, sondern zog ihn nur noch fester an sich. »Ich bin nur so erleichtert. Ich freue mich so, dass …« Nun ließ sie doch von ihm ab. »Dein Bein?«
    »Ja, ich habe mir den Fuß …«
    Er brach ab, denn jetzt starrte Jessica mit großen Augen auf Nin-Si, die neben Tom in der Haustür stand.
    »Guten Tag«, sagte Jessica und streckte ihre Hand aus. »Wir kennen uns noch nicht.«
    Das Mädchen blickte verwundert auf die Hand, dann griff sie danach. »Ich bin Nin-Si.«
    Da erstarrte Jessica. Sie hatte sich schon gedacht, dass dieses Mädchen Nin-Si sein musste. Sie passte genau zu der Beschreibung, die Simon seiner Mutter gegeben hatte. Doch in diesem Moment wurde Jessica bewusst, dass sie einem Menschen die Hand drückte, der Tausende Jahre vor ihr geboren worden war. Und vor allem stand sie jemandem gegenüber, der wissen konnte, was mit ihrem Sohn war.
    »Habt ihr Nachricht von Simon?«
    Tom nickte.
    »Und Christian?«, hakte Jessica schnell nach, doch nun verzog Tom frustriert das Gesicht. »Von ihm wissen wir nichts. Noch nicht. Wir …«
    »Kommt erst einmal herein«, bat Jessica hastig und wandte sich zum Flur um. Sie wollte verhindern, dass die beiden ihre Tränen sehen konnten. »Setzt euch. Ich kann euch gern … Tom – hinkst du etwa? Ist was mit deinem Bein?«
    Tom ließ sich im Wohnzimmer auf das Sofa fallen. »Das wollte ich dir ja vorhin schon erzählen. Ist ’ne ziemlich lange Geschichte.«
    Nin-Si nahm neben ihm Platz. Ihr Blick schwirrte überall im Raum umher, und Jessica verstand: Nichts von alldem hatte das Mädchen jemals zuvor gesehen, und so fragte sie sich bestimmt, wozu all diese Dinge und Geräte wohl gut sein mochten. Doch das Mädchen wirkte äußerst sympathisch, und Jessica nahm sich vor, ihr alles genau zu erklären.
    Später.
    »Bitte erzähl mir alles«, bat sie Tom und vergaß darüber ganz, ihnen etwas zu essen oder zu trinken anzubieten.
     
    Simon wusste nicht mehr, wohin mit seinen Blicken. Was er hier zu sehen bekam, raubte ihm fast den Atem. Zwar hatten sie die Stadt noch nicht erreicht, doch schon jetzt waren der Prunk und die Herrlichkeit Amarnas zu erkennen. Die ganze Stadtmauer war wunderbar verziert. Typische ägyptische Malereien wechselten sich mit Hieroglyphen ab. Überall ragten bunt bemalte Säulen auf. Unzählige Statuen hießen mit verschränktenArmen jeden Besucher willkommen. An den Portalen wehten lange Fahnen. Es war eine Stadt, die zwar den riesigen Reichtum dieser Metropole widerspiegelte, die aber dennoch nett und einladend wirkte.
    Simon freute sich schon darauf, durch eines der Stadttore zu schreiten und sich alle Kostbarkeiten anzuschauen, die sich gewiss innerhalb der Stadtmauern

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