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Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Schattengreifer - Die Zeitenfestung

Titel: Schattengreifer - Die Zeitenfestung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Und Nofretete gilt als schönste Frau der Welt.«
    »Das ist sie auch«, gab Neferti zur Antwort, und Simon bemerkte Nefertis Begeisterung für Nofretete. »Sie ist eine ganz besondere Frau und die richtige Regentin an Echnatons Seite.« Sie wirkte mit einem Mal nachdenklich, beinahe bedrückt: »Ich habe etwas Angst davor, mit dir weiterzugehen«, gab sie zu. »Denn ich fürchte, dass du ein schlechtes Bild von mir bekommst, wenn wir zur Stadt gelangen.«
    Simon verstand sie nicht. »Ein schlechtes Bild von dir?
    Grüblerisch blickte Neferti noch einmal zurück zum Schiff. Caspar winkte ihr von der Reling her zu, und Neferti winkte kurz zurück, bevor sie sich wieder umwandte. »Es gibt einen Grund, warum ich Moon und Caspar nicht dabeihaben wollte. Es gibt auch einen Grund, warum ich euch nicht erzählt habe, was ich plane. Und ich habe Angst, dass du schlecht von mir denkst, wenn wir jetzt …«
    Simon blieb stehen und hielt Neferti ebenfalls zurück. »Was ist los?«
    Neferti zögerte. Es fiel ihr sichtlich schwer, weiterzureden. Und dass sie es doch tat, zeigte das große Vertrauen, das sieSimon entgegenbrachte. »Du weißt sehr viel von unserer Zeit«, sagte sie. »Du weißt auch viel von dieser Stadt Amarna. Vielleicht kannst du mich deshalb verstehen.« Sie seufzte und blickte auf die Stadt, die vor ihnen lag und von der bereits die ersten Klänge zu ihnen herüberdrangen: leise, beinahe noch flüsternd. So, als wolle die Stadt sie sanft willkommen heißen.
    »In meiner Sprache heißt die Stadt ›Achet-Aton‹. Das bedeutet ›Horizont des Sonnengottes‹. Es ist eine sehr junge Stadt, wie du sicher weißt. Echnaton hat sie bauen lassen. Sie ist Ägyptens neue Hauptstadt. Und sie ist Aton, dem Sonnengott, geweiht.«
    Simon nickte.
    »Gut, dann weißt du bestimmt auch, dass Echnaton eine neue Religion einführte. Bis zu seiner Regierungszeit hatten die Ägypter viele Götter.«
    Wiederum nickte Simon und sah Neferti erwartungsvoll an.
    »Aber Echnaton hatte Fehler gemacht«, fuhr sie mit leiser Stimme fort. »Er hat diese Religion zu schnell und mit Gewalt eingeführt. Echnaton verbat den Glauben an die anderen Götter. Es sollte nur noch den einen Gott geben: Aton, dessen Licht und Kraft alles auf der Erde wachsen und leben lässt. Menschen, die anderen Glaubens waren, wurden aus der Stadt verbannt oder sogar eingesperrt. Es war auf einmal gefährlich, die alten Gottheiten zu verehren. Sogar lebensgefährlich. In Amarna herrscht nun eine merkwürdige Stimmung, wie du bestimmt gleich selbst spüren wirst: Zum einen sind die Menschen glücklich und dankbar für das Leben, das Echnaton und Nofretete ihnen in dieser Stadt bieten. Keinem von uns ging es vorher so gut wie in dieser Zeit. Doch gleichzeitig leben die Menschen inAngst. Und auch in Unsicherheit, denn ihnen ist der Glaube genommen worden.«
    Simon griff nach Nefertis anderer Hand. »Ich verstehe«, sagte er. »Aber was hat das alles mit dir zu tun und mit deiner Angst, ich könnte meine Meinung über dich ändern?«
    Neferti schluckte. Sie suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. »Du weißt, dass auch ich Echnaton und Nofretete verehre«, sagte sie. »Und du weißt, wie sehr ich sie schätze und mag.«
    »Natürlich. Das hast du schon mehrfach …«
    »Und dennoch habe auch ich sie hintergangen«, sagte Neferti schnell und mit gesenktem Blick.
    »Hintergangen?«
    »Nicht nur ich. Meine ganze Familie. Wir … ich …« Die richtigen Worte fanden sich nicht leicht. Neferti blickte auf: »Es ging zu schnell. Plötzlich sollten wir alle unseren Glauben aufgeben und nur noch das annehmen, was Echnaton uns auftrug. Aber das geht nicht. Du kannst den Menschen nicht einfach ihren Glauben nehmen – ihren Halt. Ihre Sicherheit. Viele von uns haben weiterhin an die früheren Gottheiten geglaubt. Und auch zu ihnen gebetet. Heimlich. In Verstecken. Dort, wo der Pharao es nicht sehen konnte. Dort, wo keine Wachen patrouillierten. Auch meine Familie hatte ein Versteck – unterhalb der Stadtmauer. Dort konnten wir unseren früheren Gottheiten Opfer bringen. Ihre Nähe spüren. Sie um Hilfe bitten.«
    Simon drückte sanft ihre Hände. »Ich verstehe.«
    Mit diesen beiden Worten gab er Neferti neue Kraft. Nun fiel es ihr etwas leichter, weiterzusprechen: »Du weißt doch, dass ich unter dem besonderen Schutz unserer Katzengöttin stehe.Meine ganze Familie lebt in diesem Glauben. Schon seit Jahrhunderten. Und dieser Glaube hat uns viel Kraft gegeben. Ich bin

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