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Schattengrund

Schattengrund

Titel: Schattengrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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aus längst vergessenen Gute-Nacht-Geschichten waren?
    Sie nahm sich vor, ihre Eltern direkt nach ihrer Rückkehr zu fragen, warum Kiana aus ihrem Leben verschwunden war. Was genau sie getan – oder unterlassen – hatte, das zu diesem tiefen Zerwürfnis geführt hatte. Böse Menschen, wirklich böse Menschen stellten keine Schüssel Karamellbonbons ins Gästezimmer.
    Wenigstens Minx musste am Morgen kurz aufgetaucht sein. Ihre kleinen Pfotenabdrücke verliefen rund ums Haus und dann hinein in den Wald. Wahrscheinlich hatte sie sich dort ein Plätzchen zum Überwintern gesucht. Warum hatte sich niemand um Kianas Katze gekümmert? Sie war so mager, so dünn und alt. Der Gedanke, dass irgendwelche fremden Leute sie vielleicht aus dem Haus gejagt hatten … oder, noch schlimmer: die Nachbarn?, war schrecklich. Hier kannte doch eigentlich jeder jeden …
    Nico kletterte über die Gartenpforte und sah sich um. Der schmale Weg führte hinunter zu den ersten Häusern. Vermutlich würde sie an der Kreuzung einen Laden finden. Irgendwo mussten die Leute von Siebenlehen ja einkaufen. Sie lief los und grüßte die wenigen Menschen, die sie unterwegs traf, mit einem fröhlichen »Guten Morgen«. Mehr als ein kurzes Nicken bekam sie nicht zurück. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass man ihr hinterhersah und sie beobachtete. Merkwürdiger Ort. Merkwürdige Leute. Vielleicht waren es alle Zombies, und Siebenlehen gab es nur alle sieben Jahre, wenn verirrte Wanderer eine verwunschene Klamm durchschritten und von gut aussehenden Männern in ihren Jeeps gerettet wurden. Vielleicht war es auch einfach nur der perfekte Ort, um verrückt zu werden. Sie grinste. Guter Titel für eine Scriptet Docu.
    Sie checkte ihr Handy. Zwei magere Balken. Immerhin, man konnte es versuchen. Nach dem dritten Klingeln nahm Valerie ab.
    »Nico! Wo zum Teufel steckst du? Ich habe mindestens zwanzigmal versucht, dich zu erreichen!«
    Ein mulmiges Gefühl machte sich in Nico breit. »Warum?«
    »Deine Mutter macht mir die Hölle heiß. Sie will dich unbedingt sprechen. Wenn du mich fragst, hat sie irgendwas mitbekommen.«
    »Ich melde mich bei ihr. Der Empfang ist hier einfach zu schlecht. Das muss an den Bergen liegen.«
    Sie nickte einem älteren Mann zu. Er hatte die Hände auf den Stil seiner Schneeschaufel gelehnt und die Arbeit nur zu einem Zweck unterbrochen: ihr zuzusehen, wie sie auf der Mitte der Straße durch den knietiefen Schnee stapfte. Vielleicht sollte sie beim nächsten Mal Eintritt verlangen.
    »Wie läuft es?«
    Nico sah sich um. Der Mann äugte immer noch hinter ihr her.
    »Na ja. Die Bude war eiskalt. Aber ansonsten okay. Ich versuche jetzt erst mal, was Essbares aufzutreiben.«
    Sie verschwieg ihre unheimliche Begegnung von gestern. Jetzt, im strahlenden Schein der Morgensonne, kam sie ihr beinahe irreal vor. Vielleicht hatte der Mann sie ja nur für einen Einbrecher gehalten?
    »Bist du mit den Rätseln schon weitergekommen?«
    »Äh … ja«, antwortete Nico zerstreut. Dann riss sie sich zusammen. »Ich glaube, der Stein ist Silbererz. Er muss hier irgendwo aus dem Berg kommen.«
    »Silber? Du meinst, eine Mine oder so was?«
    »Hoffentlich nicht.«
    »Aber er soll doch irgendwohin.«
    »Das kann vieles heißen. Vielleicht reicht es auch, wenn ich ihn über den Zaun kicke.«
    »Glaube ich nicht. Es hieß doch, du sollst ihn zurückbringen. Also musst du erst mal rauskriegen, woher er stammt.«
    Nico erreichte die Kreuzung und sah sich um. Das Hotel zum Schwarzen Hirschen stand da, die Fensterläden der beiden Obergeschosse waren geschlossen. Sie erkannte eine Metzgerei, eine Bäckerei, einen Gemischtwarenladen. Immerhin. Das sah nach Beute aus.
    »Ich muss Schluss machen. Sonst fällt mir das Handy vor Entkräftung in den Schnee und ich finde es nie wieder. Ich hab schon meine Hausschuhe verloren.«
    »Du bist mit Hausschuhen im Schnee?«
    »Ciao.«
    Nico legte auf und stieg die Treppen zur Bäckerei hinauf. Hinter den beschlagenen Scheiben der Schaufenster konnte sie Bleche mit Broten und Kuchen erkennen. Die Türglocke begleitete ihr Eintreten mit einem melodischen Schellen. Der Laden war rammelvoll.
    »Ich nehme noch zwei Harzer Kanten dazu«, hörte sie eine schrille Frauenstimme. In dem winzig kleinen Geschäft verkeilte sich ein Dutzend Kunden vor der Ladentheke.
    »Das sind die letzten!«, empörte sich eine andere Kundin. »Du kannst hier doch nicht einfach den Laden leer kaufen. Wir müssen alle mit der Situation

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