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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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erstaunt, wie gut und gewählt Olsberg gelernt hatte sich auszudrücken. Bildungsmäßig hatte Matthias Olsberg einen großen Sprung getan seit damals, als er ein krimineller Jugendlicher aus einem sozialen Brennpunkt gewesen war. Ob er sich emotional ebenso viel weiterentwickelt hatte, war weit weniger gewiss.
    Nach einer kurzen Pause schob Olsberg seiner Ausführung noch etwas Entscheidendes nach: «Ich wollte nicht der Sexsklave sein, der sich aushalten lässt.»
    Aha, dachte Winter. «Also hatten Sie doch eine sexuelle Beziehung zu Frau Feldkamp.»
    Am Morgen hatte Olsberg das geleugnet.
    «Zuerst nicht», behauptete er. «Also, während ich noch in Haft war. Überhaupt gar nicht. Aber es war mir irgendwie klar, wenn ich bei ihr einziehen würde, würde es dazu kommen.»
    «Und? Kam es dann dazu?»
    «Ja. Ja, sicher.»
    «Warum haben Sie das heute Morgen abgestritten?»
    «Ach, verdammte Kacke. Es waren doch nur zwei Tage. Weil ich gefürchtet habe, dass Sie mir da ein Motiv draus drehen. Sie habe mich verlassen wollen und ich hätte mich rächen wollen oder so. Aber das ist Unsinn. In den paar Tagen, in denen ich hier mit ihr zusammen war, da war alles okay zwischen mir und Birthe. Es war sogar sehr schön. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass sie nicht gestorben wäre.»
    «Aha. Übrigens, Herr Olsberg, Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet. Sie haben mir nur erklärt, warum sie zuerst nicht zu Frau Feldkamp ziehen wollten. Warum haben Sie denn nun so kurz vor der Entlassung Ihre Meinung geändert?»
    Matthias Olsberg drehte sich neuerlich weg, die Hände in den Taschen. Nach ein paar Sekunden wandte er sich Winter wieder zu und sah ihm in die Augen. «Nachdem ich im Januar gesagt habe, ich will nicht zu ihr ziehen, hatte sich zwischen uns was verändert. Diese Rollenverteilung war weg. Es war dann nicht mehr so, dass ich der Hilfeempfänger war und sie der gnädige Engel. Sondern ich hab gemerkt, sie braucht mich genauso wie ich sie. Außerdem … ich hatte das Gefühl, sie zieht sich zurück von mir, und dass wir uns dann nach der Haft gar nicht mehr sehen, wenn ich nicht bei ihr einziehe. Ich hatte sie wohl verletzt mit meiner Absage.»
    «Und was ist am oder kurz vor dem 8 . Juni geschehen, dass Sie ausgerechnet dann Ihre Entscheidung revidiert haben?»
    «Gar nichts. Es ging auf die Entlassung zu, ich musste Nägel mit Köpfen machen. Da hab ich dann eben gefragt, ob sie mich noch nehmen würde.»
     
    Doch, würde ich, hatte sie gesagt, nach einer langen Pause. Und in ihren Worten hatte alle Bedeutung der Welt gelegen.
    Zwei Tage zuvor hatte sie in der JVA angerufen und einen Besuch für den nächsten Tag angekündigt, den ersten seit langem und keinen gewöhnlichen. «In meinem Leben hat sich was geändert», hatte sie in bester Laune gesagt. «Ich bringe jemanden mit.»
     
    Winter ließ der Eindruck nicht los, dass Olsberg ihm etwas verschwieg. Aber Nachfragen brachten ihn keinen Schritt weiter. Als er sich schließlich verabschiedete, hatte Olsberg, in der Tür stehend, ihm nachgerufen: «Herr Winter?»
    Winter drehte sich um. Kam jetzt ein Geständnis?
    «Bitte, glauben Sie mir», sagte Olsberg stattdessen. «Ich hab Birthe nichts getan. Verderben Sie mir nicht meinen Neuanfang mit einer falschen Anschuldigung. Das wäre … ach, ich will nicht betteln. Aber das wäre wirklich sehr schlimm für mich.» Sein Blick aus traurigen Augen hätte Steine zum Schmelzen bringen können.
    Einen Moment lang tat ihm Olsberg leid. Winter spürte ein schlechtes Gewissen aufsteigen, weil er jemandem, der möglicherweise tatsächlich ein neues Leben begonnen hatte, dieses schwermachte. Doch dann fragte Winter sich, ob einer, der so grausam getötet hatte wie Matthias Olsberg, überhaupt das Recht hatte, auf Mitleid zu plädieren.
    «Wenn Sie nichts getan haben, haben Sie nichts zu befürchten», sagte er knapp.
    Sein Blick ging fort vom Haus nach Norden, in die unbebaute Landschaft, wo der Wind die Pappeln an der Nidda bog und sich in der Ferne die Silhouette des Taunus abzeichnete. Über den Himmel zogen schnelle Wolkenberge. Es sah aus, als komme der Herbst.
    ***
    Zurück im Präsidium, das Protokoll geschrieben, beschloss Winter, die Sache mit Ziering zu besprechen. Arno Ziering hatte Olsberg damals ebenfalls kennengelernt. Winter gab ihm das Protokoll zu lesen. «Wie schätzt du das ein?», fragte er, nachdem der Kollege gelesen hatte. Ziering hob die Brauen und klopfte mit dem Finger auf eine

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