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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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wirklich in den letzten Minuten in sein Innerstes sehen lassen. Gut, dass er kein Psychologe war.
    «Herr Olsberg, ich bin leider nicht zu einem privaten Besuch hier.»
    Matthias Olsberg seufzte, dann drehte er den Kopf zur Seite.
    «Eigentlich wusste ich es. Etwa wegen Birthe?»
    «Ja.» Winter wartete auf eine spontane Äußerung, aber es kam keine. Dann versuchte er den Moment der zumindest scheinbaren Offenheit Olsbergs zu nutzen und fragte direkt: «Warum haben Sie Frau Feldkamp Giftpilze ins Essen gemischt?»
    Olsberg warf ihm einen scharfen Blick zu, sein Ausdruck wurde feindselig, und er richtete sich im Stuhl auf.
    «Ich habe Frau Feldkamp nichts ins Essen gemischt», sagte er entschieden.
    «Sie haben also Frau Feldkamp nicht getötet?»
    «Nein, definitiv nicht.» Sein Ton war hart.
    Winter erinnerte sich an einen Moment vor sechseinhalb Jahren. «Hast du deinen Freund Said umgebracht?», hatte er Matthias Olsberg gefragt, sobald dieser nach seiner Verhaftung von den Beamten des SEK , die ihn geholt hatten, sehr unsanft in den Vernehmungsraum gebracht wurde. «Ja», war die schlichte Antwort gewesen.
    Winter neigte dazu, dem jetzigen entschiedenen Nein zu trauen. Aber waren nicht alle Äußerungen Olsbergs vorhin mit dem einen Ziel geschehen, ihn in vertrauensselige Stimmung zu versetzen?
Ein intelligenter Psychopath.
    «Wenn Sie es nicht waren, wer war es dann?»
    Ein Moment des Schweigens. Dann: «Keine Ahnung.»
    Wäre Matthias Olsberg unschuldig, hätte er dann nicht eher sagen müssen, Birthe Feldkamp sei an einem Unfall gestorben, an Pilzen, die sie selbst gesammelt hatte?
    Winter hakte nach. Die nächsten fünf Minuten verliefen als Streitgespräch, in dem Olsberg weiterhin leugnete, mit Birthe Feldkamps Tod irgendetwas zu tun zu haben oder etwas darüber zu wissen, bis er sich schließlich zu der trotzigen Äußerung hinreißen ließ: Was auch immer Winter denke, sei ihm scheißegal, man könne ihm ja wohl jedenfalls nichts nachweisen.
    Winter versuchte es aus einer anderen Richtung, ließ sich erzählen, wie Olsberg Birthe Feldkamp kennengelernt hatte und wie es gekommen war, dass er bei ihr einzog.
    Letztlich führte das alles nirgendwohin.
    «Kennen Sie einen Hendrik von Sarnau?», fragte Winter am Schluss
    «Nein, den Namen habe ich noch nie gehört.»
    «Was hat Birthe Feldkamp Ihnen getan, damit sie sterben musste?»
    «Nichts. Birthe hat mir nichts getan, und ich hab sie nicht umgebracht.»
    Zwischendurch hatte Olsberg laviert, da war Winter sich sicher. Aber jetzt hörte er sich wieder ganz wahrhaftig an.
    Er würde es an einem anderen Tag noch einmal versuchen. Vorläufig war sein Eindruck: Olsberg hatte Frau Feldkamp nicht eigenhändig die Giftpilze verabreicht. Aber vielleicht hatte er den Zugang zum Opfer verschafft. Vielleicht sogar ohne zu wissen, was er da tat.
    «Nichts für ungut», sagte Winter zum Abschied, um Olsberg in Sicherheit zu wiegen. «Das musste sein. Sie wissen ja, ich mache hier nur meinen Job.»
    «Schon okay», murmelte Olsberg. Für eine Sekunde spürte Winter ein schlechtes Gewissen wegen mangelnder Wahrhaftigkeit seinerseits. Aber es war ja tatsächlich so: Er machte hier nur seinen Job.
    ***
    Später rief Winter noch einmal bei der Bewährungshelferin an, um einige Dinge gegenzuchecken. Da erfuhr er etwas Seltsames: Birthe Feldkamp hatte schon im Januar angeboten, Olsberg könne nach der Entlassung bei ihr einziehen. Doch Olsberg hatte abgelehnt. Erst Anfang Juni, zwei Wochen vor seiner Entlassung, hatte er sich plötzlich umentschieden. Und das, obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits ein Zimmer in einem Studentenwohnheim besaß.
    Winter fackelte nicht lange, er fuhr geradewegs zu dem Haus am Nieder Stadtrand zurück. Olsberg war noch da. Winter fiel mit der Tür ins Haus.
    «Sie müssen mir was erklären. Erst wollten Sie nicht bei Frau Feldkamp einziehen und hatten sich ein Zimmer im Studentenwohnheim besorgt. Dann, zwei Wochen vor Ihrer Entlassung, haben Sie sich anders entschieden. Wie kam es denn zu diesem plötzlichen Sinneswandel?»
    Olsberg wandte sich ab, druckste herum. Schließlich behauptete er: Ihm habe die Rollenverteilung zwischen ihnen beiden nicht gepasst. Birthe sei die Ältere, Wissendere gewesen, die dem armen Knasti gnädig Hilfe angedeihen ließ. Er habe außerdem nach so viel Mangel an Privatsphäre in der JVA und nach so viel Verlust an Autonomie endlich einmal alleine und unabhängig von anderen Leuten sein wollen.
    Winter war wieder

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