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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Stelle des letzten Blattes, das er vor sich auf dem Tisch liegen hatte.
    Winter schob das Blatt zu sich, um zu sehen, auf welchem Wort Ziering seinen Finger liegen hatte. Es lautete: «Sexsklave.»
    «Sexsklave? Wie meinst du das?»
    In genau diesem Moment betrat Aksoy den Raum und kicherte. «Geheimes Konsil über Sexsklaven? Könnt ihr mich auch einweihen?»
    «Setz dich», sagte Winter, «wir erklären es dir gleich. Arno, sag erst mal, wie meinst du das?»
    «Ist doch klar. Olsberg wirft hier der Feldkamp vor, dass sie ihn als Sexsklaven hält oder halten will. Erinnerst du dich noch an das Motiv für seinen ersten Mord?»
    Winter blieb beinahe der Atem weg. «Natürlich», sagte er schließlich. «Das hatte ich übersehen.»
    Aksoys Blick ging vom einen zum anderen. «Bitte um Aufklärung», sagte sie amüsiert. «In Sachen Sex habe wohl ich eine Bildungslücke.»
    Sie erzählten ihr die Geschichte, mit der Olsberg während seines Prozesses herausgerückt war.
    ***
    Matthias’ Geschichte war klassisch. Seine Mutter war ein deutsches Sinti-Mädchen namens Carina, die es mit sechzehn aus den Zwängen ihrer Großfamilie fortgezogen hatte. Geholfen hatte Carina einer ihrer Lehrer, der auf der Suche nach sexueller Abwechslung war und sie in einer kleinen Wohnung in Siegen eine Weile aushielt. Als dessen Frau dahinterkam, war Carina schwanger. Der Lehrer gab Carina zehntausend Mark in kleinen Scheinen und ließ sie dafür einen Zettel unterschreiben, dass sie die Stadt verlassen und keine weiteren Ansprüche an ihn stellen werde. Zehntausend Mark schienen Carina ein unermessliches Vermögen. Dass ihre Unterschrift unter einen solchen sittenwidrigen Vertrag nicht bindend war, ahnte sie nicht.
    Sie kaufte eine Fahrkarte und landete am Frankfurter Hauptbahnhof, wo sie die falschen Leute kennenlernte und mit Drogen experimentierte, bis sie heroinsüchtig war. Matthias’ früheste Erinnerungen spielten in einer Einzimmerwohnung im Gallusviertel. Sein Bett stand im Flur, und seine Mutter bekam häufig Besuch von wechselnden Männern, die Geld vorbeibrachten. Zwischendurch kam ein Mann namens Kai, den Matthias hasste und fürchtete, den seine Mutter aber als ihren Freund bezeichnete. Kai brachte kein Geld, sondern nahm welches mit, hatte unberechenbare Launen und ließ Carina nicht selten weinend zurück. Manchmal verprügelte er sie so, dass sie schrie. Manchmal blieb er drei Tage am Stück und war die ganze Zeit über nett.
    Irgendwann musste Matthias zu fremden Leuten. Carina war im Gefängnis. Daran schloss sich eine Entziehungskur an. Als Carina wieder in Matthias’ Leben auftauchte, voller guter Vorsätze und mit einer Dreizimmerwohnung am Frankfurter Berg, war sie mit einem weiteren Kind schwanger. Eine Weile ging alles gut, bis auf die Tatsache, dass Mitte des Monats immer das Geld alle war, das sich jetzt «Sozi» nannte. Um mehr Geld zu haben und ihren Kindern mal was kaufen zu können, holte sich Carina wieder gelegentlich Männer ins Haus. Um diese besser ertragen zu können, fing sie wieder mit Drogen an. Für die Drogen brauchte sie wiederum mehr Geld. Bald gab es unter anderem Namen auch wieder einen Kai, der seine eigene Drogensucht über Carina finanzierte. Mehr als seine Mutter war es Matthias, der die kleine Schwester betreute, ihr regelmäßig zu essen gab, ihr neue Kleider anzog und mit ihr das Zimmer aufräumte. Dann wieder Heim und Pflegefamilie für die Kinder, weil Carina ins Gefängnis kam und später in den Entzug. Dann eine neue Wohnung in einem Hochhaus in Niedereschbach, und alles ging wieder von vorne los.
    Als Melli, die kleine Schwester, neun war, hatte ihre Mutter einen Freier, der Interesse an Melli zeigte. Für ein bisschen Zeit mit «der Kleinen» war er bereit, mehr zu zahlen. Carina nahm das Angebot dankend an. Matthias war damals vierzehn und wusste sehr genau, dass an diesem Deal nichts in Ordnung war. Schlimm genug, was seine Klassenkameraden, die meist Muslime waren, von seiner armen Mutter hielten. Das mit Melli aber überstieg, was er selbst bereit war zu akzeptieren. Das sagte er auch Carina. Als derselbe Freier das nächste Mal erschien, schrie und tobte Matthias und schob den Mann vor die Tür, bevor er sich an Melli vergreifen konnte.
    Heimlich, still und leise machten Carina und ihr Kunde einen neuen Termin am Vormittag aus, zu Matthias’ Schulzeit. Melli wurde eingeweiht und sollte sich nach der zweiten Stunde bei der Lehrerin krankmelden. Doch genau so etwas hatte

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