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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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beschwingter Schritt, zurückgekämmtes Haar, gewählte Ausdrucksweise – er war Winter so unsympathisch, wie ihm nur jemand sein konnte. Sarnau gab zu, was nicht zu leugnen war. Ja, er hatte die Raten für Sabrina Vogels Risiko-Lebensversicherung gezahlt. Doch es war selbstverständlich nicht er gewesen, der Sabrina zu dieser Versicherung überredet hatte. Nein! Vielmehr sei die arme Sabrina verliebt in ihn gewesen, wie ein Hündchen anhänglich über Jahre, lästig für ihn, aber der menschliche Anstand gebot ihm natürlich, stets freundlich zu sein. Die treue, verirrte Person habe ihm etwas Gutes tun wollen, und sie habe daher diese Versicherung abgeschlossen, ohne ihn zu fragen, eine große Geste aufgrund der Summe, um die es ging. Er sei zunächst entsetzt, ja sogar zornig gewesen, als er es erfahren habe. Sein erster Gedanke sei gewesen, dass Sabrina ihn mit diesem scheinbar großen Opfer in Dankbarkeitsverpflichtung habe setzen wollen, um sexuelle Gefallen zu erpressen. Dann habe er sich jedoch besonnen und sich klargemacht, die arme Sabrina mit ihrem kranken Hirn, die empfinde anders als andere Menschen, die wolle ihm wirklich etwas Gutes tun, und was sie davon haben wolle, sei einzig das Gefühl, durch diese Lebensversicherung ihr Leben und seines quasi untrennbar verbunden zu sehen. Er habe ihr die Befriedigung, die sie daraus zog, nicht verweigern wollen, doch habe er als Kavalier darauf bestanden, die Raten komplett zu zahlen. «Ich konnte doch nicht zulassen», erklärte er mit treuem Blick, «dass sich das arme, irre Wesen selbst schadet. Für eine Risiko-Lebensversicherung waren die Beiträge nämlich recht happig, Sabrina hat wohl gedacht, dass ich bei meinem Reichtum ein kleineres Geschenk als eine halbe Million Versicherungssumme nicht zu goutieren weiß. Dabei war es ja sehr unwahrscheinlich, dass der Versicherungsfall jemals eintreten würde. Frauen leben in Deutschland für gewöhnlich länger als Männer.»
    «Von Frau Vogels Hirntumor wussten Sie also nichts?»
    «Wie bitte?»
    Sarnau lief rot an, sein Gesicht verzog sich. Plötzlich konnte man hinter die Maske entspannter, souveräner Haltung sehen, und was man sah, das war nicht schön.
    «Frau Vogel war an einem Hirntumor erkrankt», erklärte Winter, «einem sogenannten Glioblastom, das stets tödlich verläuft. Sie hat das der Versicherung verschwiegen, sonst hätte sie keinen Vertrag bekommen. Eine Versicherung besitzt aber Mittel und Wege, so etwas im Schadensfall herauszufinden. Sie, lieber Herr von Sarnau, werden Ihre halbe Million also nicht bekommen. Ist das nicht schade? Wo Sie sich die Geschichte mit diesem Sumathi doch so schön ausgedacht hatten.»
    Sarnaus Gesicht wurde noch röter, seine Stirn begann zu glänzen. «Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen», behauptete er nach einer Pause würdevoll. «Ihre letzten Worte sind mir vollkommen unerklärlich. Und ich denke, dass es in einer solchen Situation der Anstand gebietet, dass Sie mich einen Rechtsbeistand herbeirufen und mich mit ihm beraten lassen, bevor ich hier weiter Rede und Antwort stehe.»
    Den «Rechtsbeistand» hatte er vorher großzügig abgelehnt: Erstens sei er selber Anwalt, zweitens habe er sich nichts vorzuwerfen, und irgendwelche Verdachtsmomente gegen sich werde er sofort zweifelsfrei ausräumen können.
    «Wie der Herr wünscht», sagte Winter süffisant. Dann öffnete er die Tür des Vernehmungsraums und brüllte: «Abführen! Und zwar in Handschellen!»
    Falls es ihm gelang zu flüchten, konnte jemand wie Sarnau in Windeseile auf die Bahamas entschwunden sein.
    ***
    Als Winter in sein Büro zurückkehrte, fand er dort Hilal Aksoy vor. Sie hatte sich rittlings auf einen der Klappstühle gesetzt, ihr Kinn ruhte auf ihren Armen, die sie über die Rückenlehne gelegt hatte. Sie sah ein bisschen müde aus, hob ihren Kopf, als er hereinkam, aber schenkte ihm ein glücklich-verschmitztes Lächeln. Bei Winter wallte Glück im Herzen auf: Da war es wieder, das Lächeln, mit dem sie ihn in den Monaten begrüßt hatte, bevor Fock ihr fälschlicherweise in den Kopf gesetzt hatte, dass er sie nicht im Team hätte haben wollen.
    Er strahlte zurück. «Na, müde?»
    «Die pennt hier seit einer halben Stunde», grummelte Kettler, der dabei war, sich für den Nachhauseweg bereitzumachen. Es war vier Uhr. «Wenn ich so hier rumhängen würde, würde es heißen, ich bin faul.»
    Aksoy ignorierte Kettler. «Andi, ich glaube, ich sollte Pilze sammeln gehen. Mit Jürgen und am

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