Schattenhaus
missverstanden. Der Herr Olsberg hat ja, wie ich so unvorsichtig war, Ihnen anzudeuten, einen Verdacht, wer die Frau Feldkamp vergiftet haben könnte. Und wenn dieser Verdacht stimmt, dann ist das eine sehr spezifische Sache, die höchstwahrscheinlich nichts mit irgendwelchen anderen Fällen zu tun hat. – Von welchen anderen Fällen reden wir überhaupt? Ich hatte ja noch keine Akteneinsicht.»
«Vom Fall Vogel zum Beispiel. Den kennen Sie doch.»
Sie schwieg.
«Bei mir dreht sich gerade alles», sagte sie schließlich. «Im Fall Vogel dachte ich, wir hätten zumindest einen Haupttäter, nämlich den windigen Herrn von Sarnau.»
«Ist der also nicht die Person, die Ihr Mandant betreffs Frau Feldkamp in Verdacht hatte?»
«Ähem – ehrlich gesagt, nein. Gibt es einen Grund anzunehmen, dass Frau Feldkamp den Herrn von Sarnau kannte?»
«Immerhin sind sie eine Zeitlang zusammen zur Schule gegangen. Frau Feldkamp ist eine Klassenkameradin von Sabrina Vogel.»
«Was?», rief sie. Dann lachte sie los. «Das hätten Sie mir wirklich mal vorher sagen können! Wissen Sie, was ich glaube? Mein Mandant hat da etwas grundlegend missverstanden. Er hat da etwas auf sich bezogen, was mit ihm gar nichts zu tun hatte. Wenn man eine solche Vorgeschichte hat wie er … man ist dann vielleicht etwas paranoid. Frau Feldkamp ist sicher auch ein Opfer von Sarnau. Sie ist ja eine wohlhabende Frau mit ererbtem Vermögen. Vielleicht hat sie ein Testament zugunsten von Hendrik von Sarnau gemacht. Wissen Sie von einem Testament? Oder es ist doch wieder eine Lebensversicherung. Eine Pilzvergiftung mit selbst gesammelten Pilzen wäre die ideale Todesart, falls Sarnau bei ihr eine ähnliche Masche anwenden wollte wie bei Frau Vogel. Okay, vielleicht kann ich Herrn Olsberg jetzt sogar zu einer Aussage bewegen. Nur dass Ihnen die nicht weiterhelfen wird. Er weiß im Grunde nichts.»
Na wunderbar. Da hatte sie ihn schön genasführt. Jetzt hörte sie sich total erleichtert an.
«Noch eins», sagte sie. «Wer ist denn das vierte Opfer? Es wäre nett, wenn ich auch mal erfahren würde, in welchem Zusammenhang die Tat steht, deren mein Mandant beschuldigt ist.»
«Wir denken, dass die Tötung einer Frau Verena Tamm damit zusammenhängen könnte. Hat Ihnen die Staatsanwaltschaft betreffs Ihres Mandanten Preiß nicht gesagt, dass die Waffe aus dem Fall Vogel jüngst noch einmal verwendet wurde?»
«Ja, aber ohne Details. Das ist ja alles merkwürdig. Lassen Sie mich raten, ist diese getötete Frau Tamm etwa auch eine Bekannte von Hendrik von Sarnau?»
«Das eruieren wir noch. Sie stammte auf jeden Fall aus derselben Gegend und war zeitweise auf derselben Schule.»
Bald beendeten sie das Gespräch.
War es wirklich so einfach? Hendrik von Sarnau, der reihenweise Frauen erschießen ließ oder ihnen Giftpilze ins Essen mischte, um Geld zu kassieren? Dann bestand keine Gefahr mehr. Hendrik von Sarnau war in Haft und würde das auch vorläufig bleiben. Gestanden hatte er zwar nichts. Doch der Betreiber des Internetcafés in der Münchener Straße in der Nähe des Hauptbahnhofs hatte ihn gestern bei einer Gegenüberstellung als jemanden identifiziert, der im letzten Jahr regelmäßiger Kunde gewesen war. Von diesem Internetcafé aus hatte ja laut Provider «Sumathi» mit Sabrina Vogel kommuniziert.
Gut, wahrscheinlich war also Sarnau für alle drei weiblichen Todesfälle verantwortlich. Die Staatsanwälte und jetzt auch Manteufel vermuteten es, und es lag wirklich nahe.
Wenn nur diese rätselhafte aufgeschossene Tür bei Vogels nicht wäre, die überhaupt nicht ins Bild passte. Und die vollkommen unterschiedlichen Charaktere der drei betroffenen Frauen. Dass Sabrina Vogel auf Hendrik von Sarnau hereinfiel, okay. Sie hatte sich oft ausnutzen lassen, und mit ihrer leichtgläubigen esoterischen Ader war sie dazu prädestiniert, auf die absurde Geschichte «Sumathis» hereinzufallen. Aber die anderen beiden? Die selbstbewusste Birthe Feldkamp? Die nüchterne Verena Tamm, über die ihr Vetter Jörg Krombach, sagte: «Bei denen ging es immer ums Geld»?
Winter ging im leeren Büro umher, kaute an seinem Zigarettenersatz-Bleistiftstummel. Er war sicher, er hatte alle nötigen Puzzlestücke beieinander. Es gelang ihm bloß nicht, sie zusammenzusetzen.
***
Nach zehn Minuten rief er Hanno Krombach an, den Gerichtsassessor in Offenbach, ehemaligen Klassenkameraden Sabrina Vogels und entfernten Verwandten der Allmenröder Krombachs.
«Herr Krombach?
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