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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Vorstellung, mit Carola irgendwohin zu gehen, war so trist, dass der Gedanke überhaupt nicht half. Was war nur aus ihnen geworden?
    «Viel Spaß noch», wünschte er.
    Er ließ sich etwas zu essen ins Büro kommen und ging langsam noch einmal die Akten durch. Allmählich entspannte er sich. Um halb sechs rief Aksoy an. «Wir sind jetzt gleich da», sagte sie. «Ich esse dann erst mal mit der Familie. So ab sieben könnte ich, falls es dir passt.»
    Mit der Familie.
Winter unterdrückte seine Eifersucht auf den dazugehörigen Mann, zweifellos irgendein Türke. (Oder war es eine Frau?) Natürlich passte es ihm.
    «Holst du mich ab?», fragte sie.
    Winter sonnte sich in den Worten, die sich anhörten, als hätten sie ein Date und kein banales halbdienstliches Treffen.
    Um sieben stand er vor der Tür des Mietshauses in der Großen Seestraße in Bockenheim. «Drück auf die rechte Klingel», hatte sie gesagt, und jetzt ergab das Sinn: Hier waren nebeneinander zwei Klingeln mit dem Namen Aksoy. Auf der rechten stand neben Aksoy noch ein weiterer Name: Tietz. Und nun wurde ihm richtig heiß. Aksoy war wohl mit einem Deutschen liiert. Irgendwie machte das seine Eifersucht schlimmer.
    «Ich komme», sagte sie durch die Sprechanlage. Es war ihm sehr recht, dass er nicht hoch musste und das traute Familienglück bewundern. Oder hatte sie sich von ihrem Mann getrennt, und beide wohnten zum Besten der Kinder in benachbarten Wohnungen? Nein, wahrscheinlich war eine Wohnung in diesem bescheidenen alten Haus einfach zu klein. «Ich will mit der Familie essen», hatte sie ja gesagt. Außerdem, wann hatte man jemals von einer derart einvernehmlichen Trennung gehört?
    Er saß schon wieder im Wagen, als sie kam, machte ihr die Beifahrertür auf.
    «Hi», sagte sie und ließ sich mit Schwung in den Sitz fallen. Sie trug ausnahmsweise ein Kleid, die Haare waren offen, sie hatte etwas Farbe im Gesicht, roch zugleich nach Sommer und Sand und irgendeinem tomatigen Essen und wirkte entspannt und glücklich. Er grinste, während er losfuhr. «Was gab es denn?», fragte er.
    «Oturtma», sagte sie, sehr türkisch klingend. «Angebratene Auberginen und Zucchini, die stundelang mit öligem Hackfleisch und Tomaten geköchelt haben. Danach ist man doppelt so schwer wie vorher. Und irgendwie sediert.»
    «Es fällt aber nicht unters Betäubungsmittelgesetz?»
    Sie lachte. «Sollte es vielleicht. Wohin fahren wir eigentlich? Ins Büro? Ins Stattcafé, nach alter Tradition?»
    «Ich dachte, wir fahren zum Tatort im Doppelmord Vogel, wenn’s dir recht ist.»
    «Okay. Hast du da was Bestimmtes vor?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nur zur Inspiration. Irgendwie glaube ich, dass ich da vielleicht was übersehen habe. Ich hab doch damals den Tatort erst mit zwei Wochen Verspätung zu Gesicht bekommen.»
    «Ah. Aber ich war am Tattag vor Ort. Deshalb wolltest du mich dabeihaben. Aber falls du denkst, dass mir gleich eine alles erhellende Erinnerung kommt …»
    «Nein, damit rechne ich überhaupt nicht. Ich wollte eigentlich nur deine Sicht der Dinge hören. Dass wir da hinfahren könnten, ist mir erst danach eingefallen.»
    Er bemühte sich, seine Konzentration von ihrer Person weg auf den Fall zu lenken, berichtete von Manteufels Andeutungen, die ihn letztlich keinen Schritt weitergebracht hatten. Es schien ihm sogar immer noch möglich, dass Olsberg der Täter im Fall Feldkamp war und Manteufel sich von ihm hatte einwickeln lassen.
    Als sie ankamen, stellten sie fest, dass das Vogel’sche Haus sich in eine Baustelle verwandelt hatte. An der Schmalseite stand ein Gerüst. Die Fenster waren hier durch neue ersetzt, die Fassade bis zum Mauerwerk bloßgelegt. Riesige Stapel von in Plastik verhüllten Styroporplatten standen daneben. Wer auch immer jetzt der Vormund der Vogel-Mädchen war, hatte das Haus verkauft, und die neuen Besitzer waren dabei, das alte Gemäuer auf Energiesparhaus zu trimmen. Winter war enttäuscht. Die düstere Atmosphäre, die er hier gespürt hatte und mit dem Fall assoziierte, war nicht mehr zu greifen.
    «Lass uns auf die andere Seite gehen», schlug Aksoy vor, der es wohl ähnlich ging. Auf der anderen, noch unangetasteten Schmalseite mit Blick auf die Wiesen und die sinkende Sonne im Westen konnte man die Familie Vogel wieder spüren, ihre Isoliertheit, die leichte Verschrobenheit. Winter dachte auch an die sich häufenden Anzeichen, dass Sabrina Vogel zumindest gelegentlich von ihrem Mann geschlagen worden war.
    Er

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