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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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«asozialen» Tendenzen bei Sabrina Vogel ausließ, wiederholte aber in dieser Hinsicht bloß ihre früheren Ausführungen: Sie hatte Frau Vogel stets «im Schlabberpullover» angetroffen, wenn sie ins Haus kam, um Julia abzuholen, und um Ordnung und Sauberkeit stand es dort nicht zum Besten.
    «Mich interessiert im Moment, was die Merle Vogel so von zu Hause erzählt hat. Fällt Ihnen da was ein?»
    Frau Höfling wusste von nichts. Da müsse er die Julia fragen.
    «Sie hatten mir im Januar gesagt», erinnerte Winter, «die Merle würde manchmal unglaubhafte Geschichten erzählen. Sie könne Wahrheit und Phantasie nicht auseinanderhalten wegen der vielen Computerspiele.»
    «Ach so. Ja, also ich hab ja mit der Merle nicht so viel gesprochen. Aber laut der Julia meinte die Merle, es würde bei ihnen im Haus Dämonen geben und sie hätte Angst vor denen. Angeblich würden die Dämonen aber nur hervorkommen, wenn die Julia nicht da wär. Deshalb würde die Julia die Dämonen auch nie zu Gesicht bekommen. Also, ich glaub ja, die Merle hat die Geschichte mit den Dämonen bloß erfunden, um die Julia zu zwingen, dass sie nachmittags bei ihr bleibt. Weil die Merle angeblich durch die Julia vor den Dämonen geschützt war, und sie hätte Angst, wenn die Julia weggeht. Reine Taktik, wenn Sie mich fragen. Auf die Weise stand die Julia nie bereit, wenn ich sie abholen kam, und ich durfte immer zu Vogels rüberlatschen nach dem langen Arbeitstag. Weil, wenn ich bloß angerufen hab, Sie glauben doch nicht, dass die Julia dann sofort gekommen wär. Das dauerte Stunden, bis die sich da losgemacht hatte. Also musste ich sie selber holen.»
    «Welche Computerspiele hat die Merle gespielt?»
    «Wie die hießen, weiß ich nicht, da kenn ich mich nicht aus. Irgendwas mit Teufeln, die aus der Hölle kommen.»
    Winter war sich nach Frau Höflings Weggang alles andere als sicher, ob ihn das weitergebracht hatte. Nach kurzer Grübelei kam ihm eine Idee. Er schnappte sich Merles Zeichnung von dem schlitzäugigen, muskelbepackten, groß bezahnten Waffenträger und nahm sie mit rüber zu dem fensterlosen Kabuff ihres Informatik-Spezialisten Steffen Leibold. «Sag mal, Steffen», fragte Winter, «könnte diese Kinderzeichnung hier eine Figur aus einem Computerspiel darstellen?»
    «Klar. Aber frag mich jetzt nicht, welche. Da kommen viele in Frage.»
    «Kennst du ein Spiel, bei dem Teufel oder Dämonen aus der Hölle kommen?»
    «Sicher. Das ist die Doom-Storyline. Diese Fresse hier könnte übrigens eines der Monster aus Doom sein.» Er zeigte auf das Bild. «Teil drei oder so, aber das weiß ich nicht genau. Das, was er hier hat, ist keine Schusswaffe, sondern diese Viecher haben irgendwie einen Arm so komisch waffenartig vermonstert, also, das ist quasi angewachsen.»
    Winter grinste. So viel zu Glockes Meinung, es handele sich um eine Darstellung des Wladimir Preiß.
    Ob es für die braunen Igel auf dem Familienbild eine ähnlich banale Erklärung gab?
    ***

Es war Mittwoch. Professor Grafton saß am Schreibtisch, genau an dem Platz, an dem seine Putzfrau wenige Wochen zuvor erschossen worden war. Als Winter ihm erklärte, was er vorhatte, sah der Professor unter seiner Löwenmähne grimmig drein und tat das, womit Winter gerechnet hatte: Er spielte sich auf und bemühte sich, so viele Schwierigkeiten wie nur möglich zu machen. Eine Rekonstruktion in seinem Haus, eine neuerliche Absperrung, ein Riesen-Polizeiauflauf, und das während seiner und seiner Frau Abwesenheit? Niemals! Man habe sein Haus schon genug geschändet, ihm wertvolle Funde gestohlen, sie in Tüten gestopft, als handele es sich um Haushaltsmüll. Von solchen Banausen wolle er sich nie wieder seine Kreise stören lassen. Und übrigens, was habe die Polizei denn bisher erreicht? Sei man etwa demjenigen, der diesen Anschlag auf ihn ausgeführt habe, auch nur einen Schritt nähergekommen? Nicht einmal Personenschutz habe man ihm zugebilligt,
for God’s sake
! Winter könne ihm doch nicht erzählen, dass diese sogenannte Rekonstruktion irgendetwas bringen würde. Sie seien bei der Polizei doch alle Dilettanten. Der Staat solle als Kriminalpolizisten besser Wissenschaftler einstellen, Archäologen, Historiker, die in der Technik der Abduktion und Deduktion geübt seien, statt irgendwelche Idioten mit Sportabzeichen.
    Winter musste an sich halten, Grafton nicht zu fragen, ob er denn mit «Wissenschaftler» Leute wie sich selbst meine, die bei Datierungen mal eben ein paar

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