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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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tausend Jahre auf das korrekte Ergebnis draufsattelten, um berühmt zu werden, und die dann Nachwuchsforschern, denen dies auffiel, die Karriere vermasselten.
    Grafton wusste nicht, dass sie die Schädel aus seinem Schrank hatten datieren lassen. Und er ahnte nicht, wie gut Winter über die Vorgeschichte des Einbruchs durch André Bründl informiert war. Winter hatte hierzu keinerlei Informationen an die Öffentlichkeit gegeben, um Bründl zu schützen. Der Presse hatte man gesagt, dass der Verletzte im Dauerkoma liege. Winter hatte nicht vor, Grafton zu verraten, dass sich das geändert hatte. Ebendeshalb sollte Grafton bei der Rekonstruktion auch nicht dabei sein.
    Als Grafton polternd bei seinem definitiven Nein gegen die Rekonstruktion blieb, griff Winter zum letzten Mittel. «Gut. Sie wollen uns also bei der Aufklärung des Falles nicht unterstützen. Daraus muss ich jetzt meine Konsequenzen ziehen. Ich wollte Sie bisher schonen, weil ich im Gegensatz zu meinen Kollegen der Meinung war, dass Sie nichts mit den Verbrechen zu tun haben. Aber wenn Sie mir so kommen, dann werde ich jetzt doch einen Haftbefehl beantragen. Es besteht der Verdacht, dass Sie Ihre Putzfrau und Ihren ehemaligen Studenten beseitigen wollten, um wissenschaftliche Fälschungen zu vertuschen. Und denken Sie bloß nicht, dass Sie sich der Verhaftung durch Flucht entziehen können. Sie stehen sowieso die ganze Zeit unter Observation. Deshalb war der Personenschutz auch überflüssig.»
    Diese Taktik war hochriskant, aber Winter musste sie jetzt durchziehen. «Auf Wiedersehen dann», sagte er, stand auf, drehte sich um und ging. Er war noch nicht bei den Flügeltüren des Arbeitszimmers angekommen, da rief ihm Grafton hinterher: «Herr Kommissar, Moment mal, nun seien Sie doch nicht so empfindlich.»
    Jetzt hatte Winter ihn in der Tasche. Sie verabredeten die Rekonstruktion für den morgigen Donnerstag. Winter hatte die Ärzte schon überredet, Bründl trotz seiner wohl noch immer schweren Verletzungen «ausnahmsweise» vor die Tür zu lassen. Es konnte Winter nicht schnell genug gehen, er konnte sich nicht von dem Gefühl einer drohenden Gefahr befreien, der er zuvorkommen müsse. Diese Andrea Vogel, die ins Beuteschema des Täters passte und möglicherweise das nächste Opfer war, hatte er unter ihrer Handynummer noch immer nicht erreicht. Und eine Festnetznummer war bei der Telekom nicht verzeichnet.
    Grafton und seine Frau, so vereinbarten sie, würden morgen um neun den Schlüssel übergeben und sich dann bis nachmittags um drei nicht zeigen.
    Nun allerdings würde Winter wirklich seine paar Leute für eine Rund-um-die-Uhr-Observation des Professors missbrauchen müssen. Grafton war ja jetzt gewarnt, welcher Verdacht gegen ihn bestand. Dass er floh, konnte Winter nicht riskieren. Und die Staatsanwaltschaft hatte sich gegen einen Haftbefehl ausgesprochen.
    ***
    Winter verspürte eine leichte nervöse Aufregung am Morgen der Rekonstruktion, so wie vor den Vorträgen, die er manchmal als Dozent bei Fortbildungen halten musste. Irgendetwas würde sich heute entscheiden.
    Bründls Stationsarzt hatte sie ermahnt, der Patient dürfe sich wegen des ausheilenden Schädel- und Genickbruchs und der Lungenverletzung nur langsam und vorsichtig bewegen. Keine Sprünge, kein Laufen, und um Himmels willen aufpassen, dass er sich nirgends den Kopf stieß. Vom SoKo-Team war bei der eigentlichen Rekonstruktion nur Aksoy dabei. Glocke schlief sich zu Hause aus, Musso hatte von ihm den Stab bei der Observierung von Grafton übernommen, und Ziering war auf dessen Frau angesetzt, falls die sich von ihrem Mann entfernte. Es ging nicht nur um Fluchtgefahr; es musste auch sichergestellt sein, dass das Ehepaar Grafton nicht von irgendwoher die Szenerie beobachtete und Bründl erkannte, während er aus dem Krankentransporter stieg.
    Winter hatte einen Mietwagen besorgt, vom selben Typ, wie Bründl ihn in den Wochen vor seinem unbefugten Eindringen bei Grafton benutzt hatte, höchstwahrscheinlich sogar den identischen Wagen. Die Limousine hatte Winter im Kettenhofweg gegenüber der Villa geparkt. Es hatte etwas Lächerliches, dieses magische Heraufbeschwören eines vergangenen Tages mittels irgendwelcher Requisiten. Doch als Winter ein erschrockenes Wiedererkennen des Mietwagens in Bründls Gesicht wahrnahm, wusste er, dass es richtig gewesen war, die Mühe und die Kosten dafür nicht zu scheuen.
    Er ließ Bründl sich in den Wagen setzen. «Wie sind Sie hergefahren an

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