Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
dem Tag?»
    «Über die Senckenberganlage, wie sonst», erklärte Bründl. Der Kettenhofweg war eine Einbahnstraße. «Und ich hab dann da drüben direkt vorm Haus geparkt, damit ich möglichst schnell Richtung Schumannstraße wegfahren kann.»
    Genau da hatten sie am Tag nach dem Verbrechen tatsächlich den Mietwagen gefunden. Na bestens, da hatten Sie Bründls Erinnerung ja schon etwas auf die Sprünge geholfen.
    Winter befahl Bründl, den Wagen an seinen damaligen Parkplatz zu manövrieren und auszusteigen. Auf dem Beifahrersitz hatten sie die blaue Sporttasche bereitgelegt, darin die Utensilien, die Bründl damals dabeigehabt hatte und die bei der Hausdurchsuchung verstreut über die Villa gefunden worden waren: ein Bohrer und gepolsterte Kartons für die zu stehlenden Schädel.
    Mit der Tasche über der Schulter musste Bründl nun aus dem Wagen steigen. Hilflos sah er Winter an.
    «Tun Sie einfach das, was Sie denken, an dem Tag getan zu haben», munterte Winter ihn auf. Der junge Mann ging langsam und zögerlich den Bürgersteig entlang, öffnete die angelehnte Zauntür zum Grafton’schen Grundstück und nahm den Weg zur Tür der Villa. Winter schlenderte hinterher. Oben auf den Eingangsstufen angekommen, sagte Bründl, als wäre er selbst erstaunt: «Ich hab nicht geklingelt. Die Tür stand offen.»
    Die Tür stand offen? Winter sah unwillkürlich vor seinem inneren Auge die offenstehende Haustür des Vogel’schen Hauses in Kalbach vor sich.
    «Ich glaube, damit der Boden trocknet», sagte Bründl nun allerdings. «Die Fliesen im Vorflur waren nass. Bestimmt hat sie deshalb die Tür offen stehen lassen. Die Putzfrau, mein ich. Und ich hab mir gedacht, ich schleich mich rein. Ich hab gehofft, sie kriegt es dann gar nicht mit, dass ich da bin. Ich musste ja nur ganz kurz bohren, und so ein Bohrgeräusch kann von überall her kommen. Wenn sie’s gemerkt hätt, hätt ich mich immer noch als Doktorand vorstellen können. – Scheiße.» Er drehte sich zu Winter um. «Jetzt ist es klar, oder? Die hat auf mich geschossen, weil sie dachte, ich bin ein Einbrecher und Angst vor mir hatte. Ich bin selber schuld.»
    «Die Putzfrau hat auf Sie geschossen?»
    «Keine Ahnung, oder wer auch immer sonst im Haus war, vielleicht ist die Frau Grafton früher zurückgekommen.»
    «Machen wir einfach weiter», schlug Winter vor. Aksoy hatte unterdessen von innen die Tür geöffnet und sich wieder verzogen.
    Bründl betrat das Haus vorsichtig. Man merkte ihm an, dass es ihm unheimlich war, hier zu sein. Er schlich sich durchs Vestibül zur Treppe, stieg mühsam in den ersten Stock und betrat das Zimmer, in dem der berühmte «Giftschrank» stand. Sie hatten es auf die Spitze getrieben und dem «Giftschrank» eine neue Tür verpasst, sodass Bründl ihn wie am Tattag aufbohren konnte. Winter würde es höchstpersönlich verantworten müssen, wenn bei der ganzen teuren Aktion nichts herauskam.
    Mit leerem Ausdruck tat Bründl, was von ihm verlangt wurde, bekam sehr schnell den Schrank auf, verstaute die Schädel in der Sporttasche und hängte sich die volle Tasche über die Schulter. (Sie hatten auch die Knochen wieder in den Schrank geräumt, die sie ohnehin zurückgeben mussten.) Dann schritt Bründl mit höchst zweifelndem Blick zurück zur Treppe. Er stieg sie ganz hinunter, bis er im Vestibül angekommen war. Dort drehte er sich zu Winter um, der hinterherkam.
    «Keine Ahnung», sagte Bründl, «ich kann mich nicht erinnern. Wo ist es passiert?»
    Das war es dann wohl. Winter zeigte Bründl die Stelle, wo er sich ungefähr auf der Treppe befunden haben musste, als er angeschossen wurde. Bründl stieg hoch und stand dort fünf Minuten, ohne dass ihm eine Erleuchtung kam.
    Sie hatten bis drei Uhr Zeit und wiederholten den gesamten Ablauf, zweimal, dreimal, viermal. Aber in Bründls Gedächtnis regte sich nichts. Das Letzte, woran er sich erinnern könne, sei die offene Haustür. Er wiederholte noch mehrfach seine Annahme, dass es die Putzfrau gewesen sei, die auf ihn geschossen habe; dies sei aber keine Erinnerung, sondern bloß eine Vermutung. Winter fragte sich, ob nicht doch eine unbewusste Erinnerung dahintersteckte.
    Als er Bründl zu seinem Krankentransporter brachte, sagte der junge Mann wie entschuldigend: «Haben denn die Kinder nichts mitbekommen?»
    «Welche Kinder?», fragte Winter hellwach.
    «Na, die Kinder der Putzfrau. Die hatte sie dienstags immer dabei.»
    Winter starrte ihn an.
    «Auch an dem

Weitere Kostenlose Bücher