Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
hergestellt hatte.
    «Okay», sagte Pietsch schließlich. «Hier hast du’s.»
    Das vergrößerte Bild zeigte die Augenpartie Renate Vogels, während sie die Augen beim Blinzeln für einen Moment geschlossen hielt.
    Winter packte das Bild in eine Mail an die Rechtsmedizin und rief dort an. Er erwischte Professor Butzke mitten während einer Obduktion. Fröhlich versprach Butzke, wenn er «zugenäht» habe, einen Blick auf die Mail zu werfen. Eine Viertelstunde später meldete sich der Professor, mit hörbar vollem Mund. Winter stellte sich bildlich ein Mettbrötchen vor. Für Mettbrötchen besaß Butzke eine berüchtigte Vorliebe. «Sie wollen sicher wissen, was die dünnen roten Linien über den Augen sind?», begann der Rechtsmediziner mampfend das Gespräch
    «Exakt», antwortete Winter.
    «Klarer Fall. Narben einer Lidstraffung. Gut gemacht übrigens.»
    «Wie lange ist das auf dem Bild her?»
    «Nicht lange. Ein bis drei Wochen vielleicht.»
    «Können Sie mir das schriftlich geben? Es ist sehr wichtig.»
    «Ungern. Nur ein plastischer Chirurg kann das sicher sagen.»
    Butzke war bekannt dafür, dass er sich nie schriftlich festlegen wollte. Winter legte nach.
    «Dass Sie nicht der Richtige dafür sind, können Sie ja reinschreiben in Ihre Stellungnahme, aber bitte auch, wie Sie das laienhafterweise einschätzen. Verstehen Sie, dann stimmt mein Chef eher zu, einen richtigen Experten zu befragen.»
    Damit hatte er Butzke bei der Ehre gepackt.
    «Ja nun, so inkompetent bin ich auch wieder nicht.»
    «Eben. Schreiben Sie mir also bitte das Brieflein, es ist wirklich wichtig.»
    «Ach ja, Herr Winter. Für Sie tue ich doch alles.»
    ***
    Auf dem bewachten Parkplatz der Klinik Liliengarten standen Ferraris und andere Protzkarossen, und zwar auf ausgewiesenen Ärzteparkplätzen. Die noble Eingangshalle war marmorgefliest.
    An der Rezeption wies Winter sich aus und fragte nach Doktor Melzer, den er als Experten in einem Fall befragen wolle. Ganz ehrlich war das nicht. Aber mit voller Ehrlichkeit würde er womöglich nicht weit kommen. Während die Empfangsdame telefonierte, sah Winter hinter ihr an der marmorgetäfelten Wand ein rotgoldenes Plakat mit einer Aussage, die er im Internet schon gefunden hatte. Man warb für ein «Weihnachtsspecial», ein verdammt harmloser Name für eine große, gesundheitlich fragwürdige Operation. Dieses weihnachtliche Special wurde als «Rundum-Sorglos-Paket: Facelift inklusive Halsstraffung, Lidstraffung und Stirnlifting» beschrieben und ging für den «Schnäppchenpreis» von 6999  Euro über den Tresen, und zwar vom 20 .  12 . bis 20 .  1 . Jede OP im Rahmen des Weihnachtsspecials werde «persönlich von unserem Starchirurgen Dr. Melzer durchgeführt, der extra für Sie auf seinen Urlaub verzichtet».
    Melzer, der sogenannte Starchirurg, fühlte sich von der Anfrage eines Kriminalhauptkommissars geschmeichelt. Oder aber seine Neugierde war geweckt. Jedenfalls vermeldete die Empfangsdame, der große Mann stehe Winter für einige Minuten zur Verfügung. Eine junge Frau in Krankenpflegeuniform erschien und führte Winter in das Sprechzimmer des Chirurgen, vorbei an einer Reihe von wartenden Damen aller Altersstufen und einem Herrn, allesamt mit grüngelb und lila verfärbten Gesichtern.
    Melzer begrüßte Winter mit Handschlag. Er war an die sechzig und sah nicht so aus, als ob er selbst jemals plastisch-chirurgische Dienste in Anspruch genommen hätte. «Was kann ich für Sie tun?», fragte er, demonstrativ im Stehen, was wohl andeuten sollte, dass er nicht viel Zeit habe.
    Winter holte das Foto von Renate Vogels geschlossenen Augen hervor.
    «Diese Frau hatte eine Lidstraffung. Können Sie mir sagen, wie lange das ungefähr her ist?»
    Melzer nahm das Bild, studierte es prüfenden Blicks.
    «Sieht noch relativ frisch aus. Die Bildqualität ist nicht so gut, sie ist auch geschminkt, deshalb … aber länger als zwei, drei Wochen ist das nicht her.»
    «Könnte das bei Ihnen gemacht worden sein?»
    «Möglich. Das ist die gleiche Technik, die ich auch verwende. Ist aber Standard heute. Ist die Frau etwa tot?»
    «Nein, zum Glück nicht. Es handelt sich um eine Tatverdächtige. Können Sie sich erinnern, diese Frau operiert zu haben?»
    Winter reichte ihm jetzt die beiden Fotos von Renate Vogel, die heute Morgen bei der erkennungsdienstlichen Behandlung gemacht worden waren.
    «Aber sicher. Das ist Renate Vogel. Die ist bei uns Stammkundin. Was soll die denn ausgefressen

Weitere Kostenlose Bücher