Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
Vom Netzwerk:
«Was den mysteriösen Mann mit dem Motorrad betrifft. Vielleicht war das gar nicht der Motorradfahrer, den die Nachbarn gehört haben. Vielleicht meinte Merle bloß jemanden von der Schupo. Als ich nach der Tat hinkam, hatten sie die Kinder schon vom Tatzimmer in ein Kinderzimmer gebracht. Da saßen sie zusammen im Bett, und zur Aufsicht saß Bernd Schwab dabei. Ich weiß nicht, ob du den kennst.» Winter schüttelte den Kopf.
    «Der war mal beim SEK . Einer von denen, die zur Polizei gehen, um Rambo zu spielen. Und wenn dann mit Anfang vierzig oder so der Körper streikt und diese Leute plötzlich ganz normal Streife fahren müssen, bringen sie null Motivation mit. Egal, jedenfalls hab ich mich über den Schwab ziemlich aufgeregt, weil die Kinder total verstört und verängstigt im Bett saßen, während er seelenruhig in der Ecke ein Motorradmagazin liest und sich um nichts kümmert. Er hatte ihnen nicht mal was zu essen oder trinken besorgt; es war fünf Uhr nachmittags, und die Ärmsten hatten seit dem Vorabend weder gegessen noch getrunken. Außerdem war die Heizung aus, und es war eiskalt und die beiden Mädchen nur im dünnen Nachthemd. Zu mir sagt er dann, ich soll jetzt mal schön die Supernanny spielen –»
    Winter lachte, weil er sich zu gut vorstellen konnte, wie Aksoy sich darüber echauffiert hatte.
    «Jedenfalls», redete Aksoy leise weiter, «ich denke, Merle könnte mit dem Motorradmann den Schwab gemeint haben.»
    «Weil er ein Motorradmagazin gelesen hat? Frag sie doch», schlug Winter vor.
    Aksoy nickte. Sie hockte sich zu den Kindern auf den Teppich. «Sag mal, Merle, weißt du, was eine Uniform ist?»
    «Ja. Die Mutter von der Julia hat eine.»
    «Der Mann mit dem Motorrad, der bei euch war, hatte der eine Uniform an?»
    «Ja.»
    «War das der Polizist, der bei euch im Zimmer saß?»
    «Ja.»
    Winter seufzte. Wieder so ein Fall, in dem eine Kinderaussage sich als wörtlich richtig, aber dennoch irreführend erwies. Der Mann hatte tatsächlich ein Motorrad dabeigehabt. Doch das war aus Papier.
    «Na ja», sagte Aksoy, als sie wieder stand. «Viel haben wir hier nicht rausbekommen. Aber zum Glück ist der Fall ja sowieso schon geklärt, oder?»
    Daran allerdings hatte Winter noch immer seine Zweifel. Was auch der Grund dafür war, warum er Merle so hart rangenommen hatte.
    ***
    Zurück im Büro, sah Winter sich an, was Kettler an Beweisen für seine Auftragsmord-These geliefert hatte. Das Geständnis des angeblichen Killers war knapp und wenig überzeugend, da viele Details ungeklärt blieben. Frau Renate Vogel ihrerseits stritt kategorisch ab, ihren Mieter auf Sohn und Schwiegertochter angesetzt zu haben. Sie behauptete steif und fest, mit den abgehobenen 5000  Euro ein «Facelift» bezahlt zu haben, und zwar in der Klinik Liliengarten bei Wiesbaden. Von dem dortigen Sekretariat wiederum hatte aber Kettler telefonisch erfahren, man habe von einer Renate Vogel keine solche Zahlung verbucht.
    Winter fiel ein, dass es von Großmutter Vogel das Vernehmungsvideo gab, aufgenommen am 2 . Januar, etwa zwei Wochen nach dem angeblichen Lifting-Termin. Beim ersten Ansehen schon war ihm aufgefallen, dass Thomas Vogels Mutter sehr gepflegt und gut für ihr Alter aussah. Jetzt spielte er das Video noch einmal ab. Renate Vogel trug eine dicke Make-up-Schicht. Das Gesicht darunter war viel zu straff für eine Fünfundsechzigjährige, die Kinnlinie klar und ohne Hängepartien, die Augen groß und ohne jedes Anzeichen für Schlupflider.
    Es bestand kein Zweifel, dass Renate Vogel geliftet war. Die Frage war nur, wie lange war die Operation her.
    Winter zoomte ein paar Standbilder heran, glaubte, an einer Stelle etwas Verräterisches zu erkennen.
    Er nahm die Kassette mit in die Kriminaltechnik, wo er auf Pietsch traf, der ungeschickt versuchte, eine heimliche Zigarette verschwinden zu lassen. Der Geruch war ohnehin nicht zu überriechen.
    «Markus, du kennst dich doch mit Bildbearbeitung aus, oder? Kannst du mir hiervon eine hochaufgelöste Vergrößerung machen?» Winter zeigte auf einen bestimmten Bildausschnitt in einem Standbild bei Minute 2 : 30 .
    Pietsch fragte nicht lange und machte sich sofort an die Arbeit, sicher darauf hoffend, dass Winter ihn dann aus Gefälligkeit nicht wegen des Rauchens verpfeifen werde. Das hatte Winter allerdings sowieso nicht vor. Winter hatte selbst vor ein paar Jahren aufgehört und wusste, wie hart das war. Er wartete, bis Pietsch die hochauflösende Vergrößerung

Weitere Kostenlose Bücher