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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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haben?»
    «Vielleicht gar nichts. Wenn sie bei Ihnen operiert worden ist, so wie sie behauptet, könnte das Frau Vogel entlasten. Wann hatten Sie sie denn zuletzt unterm Messer?»
    «Das ist nicht lange her. Moment.» Melzer öffnete die Tür, rief: «Anne, bring mal das Terminbuch vom letzten Jahr.» Die Sprechstundenhilfe kam mit einem großen schwarzen Wälzer vorbei. Melzer legte ihn auf seinen Schreibtisch, blätterte. «Hier», sagte er schließlich. «Hier haben wir sie.» Sein Daumen zeigte auf einen gut lesbaren Eintrag vom 22 .  12 .:
Renate Vogel WS  B 5
, der die Zeit von zehn bis dreizehn Uhr belegte.
    «Was bedeuten die Abkürzungen?»
    Melzer schlug das Buch zu, gab es an die Sprechstundenhilfe zurück, die sofort entschwand.
    « WS heißt Weihnachtsspecial. Ein großes Lifting mit allem Drum und Dran.»
    «Und die andere Abkürzung?»
    «Das war sicher die Erinnerung daran, dass wir Frau Vogel einen Rabatt gewährt hatten. Vor ein paar Jahren hat sie bei uns an einer Studie über eine neue Methode teilgenommen, Gesichtsstraffung mit Goldfäden, die durch die Wangen gezogen wurden. Leider hat sich die Methode nicht so bewährt, und wir mussten ihr jetzt die Goldfäden wieder entfernen. Die bohrten sich allmählich nach außen durch. Bei der Gelegenheit wollte sie dann gerne ein großes Lifting, weil das letzte bei ihr schon fünfzehn Jahre her war, und wir haben gesagt, wir kommen ihr mit dem Preis entgegen, sozusagen als Entschädigung, weil das mit den Goldfäden schiefgegangen war.»
    Aha, dachte Winter. Seine Meinung war, dass B 5 für « 5000 in bar» stand, die wahrscheinlich Melzer und sein Anästhesist auch bar eingestrichen hatten. Daher hatte das Kliniksekretariat nichts verbucht, und Kettler hatte die falsche Auskunft bekommen.
    Winter instruierte Melzer, in den nächsten Tagen ins Präsidium zu kommen, um seine Aussage offiziell zu Protokoll zu geben.
    Von Wiesbaden kommend, fuhr er kurz entschlossen über das Nordwestkreuz nach Preungesheim und hielt bei dem riesigen Gefängniskomplex in der Kreuzäckerstraße. Der angebliche Auftragskiller war nach seinem Geständnis jetzt hier in U-Haft. Auf dem Handy versuchte Winter Fock zu erreichen, um seinen Plan mit ihm abzusprechen. Leider vergeblich. Fock war bereits heimgegangen. Es war nach sechs. Doch Winter fiel es schwer, die Sache über Nacht ruhen zu lassen, wo er nun schon einmal hier war. Er versuchte es beim Staatsanwalt. Der war noch da und stimmte zu.
    Winter meldete sich am Eingang, wies sich aus und teilte mit, Wladimir Preiß dringend sprechen zu müssen. Der Wachbeamte war unfreundlich und unwillig, auf Sonderwünsche der Ermittler zur Abendzeit einzugehen, bekam aber vom Vorgesetzten nach dessen Rücksprache mit dem Staatsanwalt die Weisung, Winter einzulassen.
    Nach zwanzig Minuten Wartezeit wurde in einem Besuchsraum der junge Mann vorgeführt, der bei Renate Vogel ein Zimmer gemietet hatte. Mit seinem gedrungenen tätowierten Körper und seinen ultrakurz rasierten blonden Haaren bediente er die gängigen Klischees über problematische junge Russlanddeutsche. Ein leichtes Opfer für falsche Verdächtigungen.
    «Setzen wir uns erst mal», begann Winter. «Ich hätte da als leitender Ermittler im Doppelmord Vogel ein paar Fragen. Kannst du mir sagen, welche Farbe die Türen im Obergeschoss der Familie Thomas Vogel haben?»
    Schulterzucken. «Keine Ahnung. Braun bestimmt.»
    «Frau Vogel hat dir Geld dafür gegeben, dass du ihren Sohn erschießt?»
    Preiß sah zu Boden, murmelte: «Ach, leckt mich doch alle am Arsch.»
    «Wann war das genau? Dass sie dich bezahlt hat?»
    «Was weiß ich.»
    «Sag mal, Kumpel, kann es sein, dass mit deinem Geständnis was nicht stimmt?»
    Preiß stöhnte. «Klar kann das sein. Wenn der Blödmann mich nicht an meinen Stoff lässt. Was willste machen, da gestehst du, dann hast du deine Ruhe. Davon ab, es gibt Schlimmeres als Knast. Ich hab da überall Kameraden.»
    Kettler! Einen Drogensüchtigen auf Entzug zu bringen, bis er gesteht! Das war einfach unglaublich. Im Gegensatz zur Gutmenschin Aksoy fand Winter zwar keineswegs, dass Tatverdächtige mit Samthandschuhen angefasst werden mussten. Aber bei einer Sache kannte er keine Kompromisse: Körperliche Qualen waren tabu. Folter war nicht nur verboten, weil sie grausam war. Sie war auch verboten, weil man sich auf Aussagen unter Folter niemals verlassen konnte. Man musste nur an die Hexenprozesse denken. Da hatten unschuldige Frauen unter Folter

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