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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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eigenartig vor. «Sie saß hier am Schreibtisch?», fragte er. Schreibtisch und Stuhl standen am Fenster, und zwar so, dass man den Rücken dem Fenster zukehrte. Von dort war das Unheil gekommen: Zwei daumendicke Einschusslöcher hatten das Glas rundherum splittern lassen.
    «Gut erkannt», bemerkte Freimann sarkastisch. «Eine Kugel ging übrigens fehl, die ging dahinten ins Regal.»
    «Was macht denn eine Putzfrau sitzend am Schreibtisch?», wunderte sich Winter.
    «Sie hatte einen Wischlappen in der Hand, und eins dieser Dinger lag direkt daneben.» Freimann deutete auf einen Briefbeschwerer in Form eines Fossils. Eine Kollektion mehr oder minder origineller Briefbeschwerer zog sich quer über die Schreibtischplatte, die bis auf einen Stapel Papiere sonst leer war. Ein großer, bestens ausgestatteter Computerarbeitsplatz stand separat an einer der Wände zwischen den Bücherregalen. Manche Leute hatten halt Platz.
    «Okay», sagte Winter. «Ich fasse zusammen, wir haben eine höchst undurchsichtige Lage: Eine erschossene Hausangestellte und einen angeschossenen Unbekannten, der laut Aussage der Bewohner im Haus nichts zu suchen hatte. Wurde der Verletzte auf Schmauchspuren untersucht?»
    «Du meinst, falls er die Putzfrau erschossen hat, bevor er selbst von einem anderen …? Nein, wir haben den Verletzten ja nicht mehr gesehen. Den haben die Sanis weggebracht, lange bevor wir da waren.»
    «Dann schicke ich jetzt jemanden los, um das zu machen.» Winter telefonierte mit dem Präsidium und dann mit Musso, der im Krankenhaus wachte, um ihm zu sagen, dass ein Beamter zur Spuren- und Fingerabdrucknahme vorbeikommen würde. «Und pass auf, dass der Kollege sich vorher Handschuhe anzieht», mahnte er. Polizisten, die am Schießstand gewesen waren, übertrugen nicht selten ihre eigenen Schmauchspuren auf die Hände von Verdächtigen. Und dieser Fall war auch schon ohne Falschspuren verwirrend genug. «Hast du ein Fotohandy?», fragte Winter Musso am Schluss. «Okay, dann mach ein Foto vom Gesicht des Geschädigten und schick es uns allen dreien rüber.»
    «Dieser Professor und seine Frau sind noch im Haus?», rekapitulierte Winter, als er aufgelegt hatte.
    «Ja», nickte Freimann. «Ich habe es jetzt immerhin geschafft, sie im zweiten Stock in ihr Schlafzimmer zu verbannen. Im ersten Stock gibt es noch was für dich zu sehen, da ist ein Schrank aufgebrochen worden. Und, Andi …»
    «Ja?»
    «Also, das ist nicht mein Job. Aber wenn du mich fragst, der Täter hatte es eigentlich auf den Hausherrn abgesehen. Der Mann hat so einen graubraunen Künstler-Lockenkopf. Und jetzt guck dir mal hier die Leiche an.»
    Winter sah widerwillig hin. Kopfschüsse hasste er. Die Tote lag noch immer auf dem Bauch. Sie war eine große Frau von mindestens eins fünfundsiebzig und breitschultrig gebaut. Auf dem Teil der Schädeldecke, den die Wucht des Schusses übrig gelassen hatte, sah man gelockte kastanienbraune Haare von etwa fünfzehn Zentimetern Länge.
    «Wenn man sie von hinten am Schreibtisch sitzen sieht, dazu noch durchs Fenster an einem trüben Tag, kann man sie leicht mit dem Hausherrn verwechseln», erläuterte Freimann.
    «Klingt plausibel», kommentierte Winter. «Was nicht heißt, dass es so gewesen sein muss. Vielleicht war es ein banaler Raub, und die Einbrecher hätten jeden beseitigt, der ihnen in den Weg kam. – Scheint ein starkes Kaliber gewesen zu sein?»
    «. 44 er Magnum», erklärte Freimann. Winter spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Er drehte sich zu Ziering um, ihre Blicke trafen sich, und er sah an seinem Ausdruck, dass er dasselbe dachte wie er. Das gleiche Kaliber wie damals im Fall Vogel. Aber das konnte eigentlich nur Zufall sein.
    «Wie ist der Täter denn reingekommen? Wisst ihr das schon?»
    «Keine Ahnung. Die Terrassentür stand offen, sie wurde aber nicht aufgebrochen. Die Haustür war zu, aber nicht verschlossen, als die Hausherrin nach Hause kam und die Bescherung entdeckte. Auch da keine Anzeichen, dass jemand eingebrochen ist. Bloß im ersten Stock steht, wie gesagt, ein aufgebrochener Metallschrank.»
    «Wurde der Schrank etwa aufgeschossen?», fragte Winter scharf, der eine neue Parallele zum Fall Vogel ausschließen wollte.
    «Nee, aufgebohrt.»
    «Ist da noch irgendwas drin?»
    «In dem Schrank liegen ein paar Knochen. Unter anderem ein Kinderschädel.»
    «Was?», fragte Aksoy entsetzt.
    «Ja, aber es ist nicht, was ihr jetzt denkt. Da sind so Aufschriften eingefräst. Der

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