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Schattenhaus

Schattenhaus

Titel: Schattenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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Seitdem war die Situation zwischen ihnen wieder ähnlich schlecht wie im letzten Jahr, vor dem Urlaub auf Fuerteventura.
    Der Kaffee half nicht. Die Luft von draußen auch nicht. Winter wurde heute einfach nicht wach. Um fünf vor neun trudelten die Kollegen in den Besprechungsraum ein, viele von ihnen ebenfalls mit müden Gesichtern. Winter schloss die Fenster.
    Als Fock, wie üblich der Letzte, sich herbeibequemt und die Sitzung eröffnet hatte, ging es zunächst um die vorläufigen Ergebnisse der Kriminaltechnik. «Die beiden wichtigsten Sachen vorneweg», begann Freimann. «Am Griff der Terrassentür haben wir Hand- und Fingerabdrücke der toten Frau Tamm gefunden, und zwar
über
denen des Professors. Das heißt, Frau Tamm hat die Terrassentür selbst geöffnet. Wahrscheinlich wollte sie ein wenig lüften. Darf ich dazu noch ein paar Überlegungen anbringen?»
    «Klar», ermutigte Winter ihn, während Fock zweifelnd auf die Uhr sah.
    «Also», begann Freimann, «der Täter hat die Tamm von draußen durchs Fenster erschossen. Wir hatten ja spekuliert, dass der Täter eigentlich Grafton töten wollte und die Tamm mit ihm verwechselt hat, weil sie am Schreibtisch saß und von hinten so ähnlich aussieht. Der Täter hat sich vor der Tat sicher nicht lange im Garten aufgehalten, ansonsten wäre ihm aufgefallen, dass es die Putzfrau ist. Jedenfalls, ich denke, dass er erst von draußen geschossen hat, und dann hat er die offene Tür genutzt, um das Haus zu betreten und nachzusehen, ob sein Opfer wirklich tot ist. Dabei hat er gesehen, dass die Tote definitiv nicht die Person ist, die er erschießen wollte. Er sieht sich dann im Haus um. Als er die Diele betritt, hört er jemanden die Treppe herunterkommen. Er denkt, es ist Grafton, und schießt sofort, als die Person auf der Treppe erscheint, zunächst ins Bein, weil er das als Erstes sieht. Er ist nicht besonders treffsicher, er ist aufgeregt und wahrscheinlich völlig durcheinander, weil er schnell erkennt, dass auch diese Person nicht Grafton ist. Dann flüchtet er in Panik.»
    «So ungefähr hatten wir uns das gestern schon gedacht», bemerkte Winter. «Es könnte in Wahrheit noch komplizierter sein. Ich habe gleich ein paar Neuigkeiten für euch. Hast du denn noch weitere Ergebnisse?»
    «Ja. Wie der Täter eingedrungen und geflohen ist, ist inzwischen klar. Im Gebüsch in der Ecke zwischen Gartenmauer und Hauswand haben wir einen Teakhocker gefunden. So ein klobiges, kantiges Teil, moderner Kolonialstil, gehört zu den Terrassenmöbeln der Graftons. Leider haben wir Trittspuren oder Spuren von den Beinen des Hockers in dem Beet nicht eindeutig erkennen können. Wir denken, dass der Regen die Spuren modifiziert oder beseitigt hat. Das Beet war, als wir es untersucht haben, total matschig. Zur Tatzeit war es ja noch trocken. Wichtig ist vor allem, dass auf der anderen Seite der Mauer ein asphaltierter Weg quer zwischen den Häusern verläuft. Und über den kommt man sowohl zurück auf den Kettenhofweg als auch, wenn man sich auskennt, auf die Schumannstraße. Momentan wird der Hocker noch auf Spuren untersucht. Aber viel wird da nicht dran sein, nachdem er im Regen gelegen hat. Na ja, lassen wir uns überraschen.»
    «Wie hoch ist noch gleich die Mauer?», fragte Winter.
    «Etwa eins neunzig.»
    «Könnte eine sehr sportliche Person ohne Behelf drüberkommen?»
    «Ja, haben wir probiert, aber mit dem Hocker ginge es natürlich besser.»
    Nach Freimanns Vortrag kam Winter zur wichtigsten Neuigkeit.
    «Der Verletzte ist identifiziert. Es ist ein André Bründl, bis vor kurzem Student beziehungsweise Doktorand von Grafton, einunddreißig Jahre alt. Der Bründl hätte ein Motiv gehabt, Grafton zu töten. Doch laut der Aussage seines Zwillingsbruders Mark ist er nicht zu diesem Zweck in Graftons Haus eingedrungen. Wir müssen Mark Bründl später noch mal durch die Mangel nehmen, damit wir sehen, wie konsistent er bei seiner Aussage bleibt. Mein erster Eindruck war aber, dass er aus seiner Sicht die Wahrheit sagt.»
    «Ja, Mensch Winter, was hat er denn nun gesagt?», rief Fock nach dieser Einleitung, demonstrativ auf die Uhr schauend.
    –
    Mark Bründl saß aufgelöst am Bett seines komatösen Zwillingsbruders. Es war, als wenn er selbst dort läge. Nein, schlimmer. Er fühlte sich schuldig. Es gab so vieles, was er in den letzten Wochen anders hätte machen müssen. Er hatte versagt und André verraten. So war es doch.
    Marks Gedanken schweiften. Die jüngsten

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