Schattenherz
Kennen Sie denn den jungen Mann überhaupt, mit dem Ihre Tochter unterwegs ist?«
»Nicht persönlich. Aber ein Freund von mir â¦Â«
Die Augenbrauen der Beamtin hoben sich erneut und Gräther verlor langsam die Geduld. »Du lieber Himmel, sie wird nächsten Monat achtzehn! Dann kann ich ihr eh nicht mehr vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen hat!«
»Wie Sie meinen. Nur, haben Sie schon mal daran gedacht, dass Ihre Tochter möglicherweise zu diesem Anruf gezwungen worden ist? Und dass das alles vielleicht gar nicht der Wahrheit entspricht? Dass sie vielleicht irgendwo gegen ihren Willen festgehalten wird?«
»Also, wenn da was nicht in Ordnung wäre, hätte ich das doch an ihrer Stimme â¦Â«
»Und hatten Sie nicht angegeben, Ihre Tochter wäre suizidgefährdet?«
»Ja, schon. Aber schlieÃlich wurde sie erfolgreich therapiert und am Telefon klang sieâ¦Â«
»Wie sie klang, ist unerheblich, Herr Gräther. Solange wir uns nicht vom Wohlergehen Ihrer Tochter überzeugt haben, werden wir die Fahndung nicht einstellen. Ich nehme an, das ist auch in Ihrem Sinne.«
»Selbstverständlich. Ich wollte lediglich vermeiden, dass dem deutschen Steuerzahler ⦠«
»Den deutschen Steuerzahler lassen Sie mal getrost unsere Sorge sein!« Der Ton der Beamtin wurde deutlich schärfer und Gräther zog es vor, kein weiteres Aufsehen zu erregen.
Als er sich verabschiedet hatte, griff die Beamtin zum Telefon. »Roland, ich brauch dich mal zu âner Lagebeurteilung in Sachen Malin Kowalski. Von wegen Selbstgefährdung und so weiterâ¦Â«
Malin und Anatol hatten sich ein Stück weit entfernt von Kellys Mini im Gebüsch versteckt und versuchten verzweifelt, sich einen Reim auf ihr Verschwinden zu machen.
»Was, wenn Helmut ihren Trick mit dem Sich-verfahren-Haben durchschaut hat?«
»Wie denn? Ist doch glaubwürdig, dass jemand sich hier drauÃen verirrt, oder?«
»Klar. Ist auch schon vorgekommen. Bei Wanderern oder Spaziergängern. Aber mit dem Auto in âne PrivatstraÃe reinfahren? Noch dazu in ânem Naturschutzgebiet?«
Kurz darauf kam Kelly johlend die StraÃe heruntergerannt. »Huhuuu! Ich bin wieder daaaa!«, rief sie schon von Weitem. »War mir einfach zu langweilig hier!«
Malin und Anatol verschlug es glatt die Sprache.
»Jetzt zieht doch nicht so ân Gesicht, ihr Stümper! Wenn die Versicherung das zahlen soll, muss man das mit dem Bruch schon ein bisschen glaubwürdiger machen!«, trumpfte Kelly auf, als sie am Wagen ankam.
Anatol fand als Erster die Sprache wieder. »Erst mal weg hier!« »Und wohin?«
»Egal! Bloà erst mal weg!«
Kaum saÃen sie im Wagen, posaunte Kelly begeistert ihre gesamten Heldentaten heraus. »Nachdem in dem komischen Turm ja nichts Interessantes zu finden war, hab ich erst mal oben im Hauptgebäude alles inspiziert: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bibliothek â¦Â«
»Ja. Und wir haben uns unten zu Tode erschrocken!«
»So what? Woher sollt ich denn wissen, wo ihr steckt? Oder hätt ich laut Hallo rufen sollen, damit â wenn einer im Haus ist â über kurz oder lang die Bullen angerauscht kommen?«
»Nein, natürlich nicht. Aber wir hatten doch ausgemacht ⦠«
»Ja schon. Aber als ich hier so saÃ, hab ich mir gedacht: Die beiden sind garantiert so naiv und nehmen nur Sachen mit, bei denen man sofort mitkriegt, wer da eingestiegen ist!«
Anatol und Malin wechselten einen raschen Blick.
»Ertappt!«, jubelte Kelly und amüsierte sich königlich. »Hier! Das hab ich â zum Beispiel â auf dem Küchentisch gefunden!«
Sie wedelte triumphierend mit einem braunen Briefkuvert. »Und wisst ihr, was dadrin ist? Sieben wunderhübsche Zweihundert-Euro-Scheinchen!«
»Bist du verrückt?!« Malin war kurz davor, Kelly zu ohrfeigen. »Das ist das Geld für unsere Haushaltshilfe! Wie soll die denn klarkommen, wenn â¦Â«
Kelly lachte erneut. »Wieso? Die hat das Geld doch noch gar nicht gekriegt! Muss euer Alter ihr eben noch mal ân Satz Zweihunderter hinlegen und gut is!«
Anatol signalisierte Malin mit einer stummen Geste, dass offenbar jeder Widerspruch zwecklos war.
Kelly war in ihrer Euphorie nicht zu bremsen. »Zum Schluss hab ich noch ân gutes Werk getan und diese kitschige Urne â oder was das war â zerdeppert,
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