Schattenherz
riesige, ausgestopfte Eule ohne Augen.
Die unsichtbare Gestalt, die sie begleitete, erklärte Malin, dass das von nun an ihr Zimmer sei. Dann schlug sie die Tür hinter sich zu.
Als Malin sie wieder öffnen wollte, um aus der stickigen kleinen Kammer zu fliehen, fand sie weder Schloss noch Klinke.
In ihrem Rücken stieà die tote Eule einen Schrei aus. Sekunden später krallte sie sich in ihren Nacken. Es brannte wie Feuer.
Als Malin erwachte, stand Kelly mit weit aufgerissenen Augen über ihr und hielt ihr eins von ihren Kleidern hin.
»Pschscht!«, zischte sie beschwörend. »Los, zieh das über und dann ab mit euch! Hinten durch die Verandatür! Alles andere mach ich schon!«
»Was? Wieso? Was ist denn los?« Malin sah sich schlaftrunken um.
Anatol kam aus dem Nebenzimmer und stieg im Gehen in seine Jeans. »Kelly, das kann nur Svenni sein. Dem gehört das Haus hier und der hat bestimmt nichts dagegen, dass du â¦, dass wir â¦Â«
»Wenn dem Typi das Haus hier gehört, warum schleicht er dann erst nachts hier herum und kommt dann in aller Herrgottsfrühe wieder?«
»Was?!« Sofort war Malin hellwach. »Anatol, wenn das nicht Svenni ist, sondern â¦Â« Sie schaute hektisch zwischen Kelly und Anatol hin und her.
Wir haben gesagt, Svenni wär unser Cousin. Aber das glaubt uns Kelly anscheinend schon längst nicht mehr.
»⦠sondern jemand von der Polizei â¦Â«
»Hallo? Ist da jemand?!«
Eine Männerstimme! Gleich unterhalb des Fensters!
Es war beim besten Willen nicht auszumachen, ob das Sven Martensâ Stimme war oder die eines Fremden.
»Hier«, wisperte Kelly und drückte Malin einen Geldschein in die Hand. »Geht irgendwo frühstücken! Ich mach das schon.« Sie kicherte; scheinbar fand sie das Ganze mal wieder herrlich spannend und unterhaltsam. »Wenn mein Zelt in einer Stunde noch im Garten steht, ist alles in Ordnung und ihr könnt wiederkommen!«
Mit fliegenden Fingern zog Malin Kellys Kleid über ihr Sleepshirt und huschte â so leise es unter diesen Umständen ging â mit Anatol in Richtung Veranda und Hintereingang.
Sven Martens stand unschlüssig im Garten. So unbekümmert er auch klaute und betrog: Er gehörte nicht gerade zu den Mutigsten.
Als Kelly aus der zerbrochenen Eingangstür geschlüpft kam, wich er unwillkürlich zwei Schritte zurück.
»Wie viele seid ihr?«, keuchte er, sein Handy wie eine Pistole im Anschlag. »Ich hab hier eins, eins, null gewählt. Sobald was ist, ruf ich die Bullen!«
»Hi«, sagte Kelly und setzte gekonnt ihre Kulleraugen ein. »Du warst letzte Nacht schon hier, oder?«
»Wie viele?«, wiederholte Svenni und fuchtelte mit dem Handy.
»Langsam, langsam â¦Â« Kelly hob, als ziele er wirklich mit einer Waffe auf sie, die Hände. »⦠ich bin alleine. Mein Bruder und seine Freundin sind Brötchen holen.«
»Das hier ist mein Grundstück und ihr habt hier nichts zu suchen!« Svennis machohafte Drohgebärden wirkten nicht gerade überzeugend.
Amüsiert stellte Kelly fest, dass ihr Gegenüber eindeutig nicht zu den Schlausten zählte. Die Geschichte von jenem ominösen Cousin, der Anatol und Malin erlaubt hatte, sein Grundstück zu benutzen, löste sich angesichts seiner offensichtlichen Panik endgültig in Wohlgefallen auf.
Blitzschnell änderte sie ihre Taktik.
»Ich heiÃe Sally«, sagte sie und setzte ihre entzückendste Kleinmädchenmiene auf, »wär vielleicht nicht schlecht, wenn du dir einfach mal in Ruhe anhörst, wer wir sind und wie wir hierhin geraten sind.«
Svenni forschte in Kellys Puppengesicht nach Anzeichen für verräterische oder gewalttätige Absichten. Als er keine fand, lieà er das Handy sinken.
»Okay. Schieà los.«
Kelly lächelte zuckersüÃ. »Aber doch nicht hier; zwischen Tür und Angel ⦠«
Als Malin und Anatol in die Nähe des Campingplatzes kamen, hielten sie atemlos inne.
»Zu viele Leute«, keuchte Anatol. »Komm, wir laufen zum Kanal.«
Die Angler an den Randkanälen zwischen GroÃem Meer, Kleinem Meer und Loppersumer Meer waren nicht sonderlich an ihren Mitmenschen interessiert und die Kanufahrer schenkten dem Pärchen, das sich am Kanalufer niedergelassen hatte, ebenfalls keine Beachtung.
Trotzdem dämpfte Malin ihre Stimme: »Was machen wir,
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