Schattenherz
willâ¦Aber sie muss regelmäÃig ihre Medikamente nehmen, sonst geschieht noch ein Unglück. Versteht ihr?«
Nico Gräther hatte auf seine Frage nicht wirklich eine Antwort erwartet; nicht in einer psychiatrischen Klinik. Seine Taktik hatte dennoch den gewünschten Effekt: Die Jugendlichen erklärten sich sofort bereit, ihm alle auch nur erdenklichen Hinweise zu geben.
»Die Malin? Die hat ständig bei den Gärtnern rumgegluckt. Sonst hatte die zu niemandem Kontakt.«
»Ja. AuÃer zu Anatol. Aber der war ja auch nicht gerade gesprächig. War immer nur dahinten auf der Baustelle. Hat da von morgens bis abends geackert wie verrückt.«
Eines der Mädchen kicherte. »Wie verrückt ist gut!«
Das Mädchen neben ihr blies die Backen auf. »Pfff, Clara, den Witz findet hier echt niemand komisch.«
»Ich mein das im Ernst!«, konterte Clara. »Ich fand Anatol immer total cool.«
»Ja, so cool, dass er mit keinem von uns ân Wort gesprochen hat«, warf ein Junge â offensichtlich ihr Freund â verächtlich ein. »Genau wie die Malin. Da haben sich die beiden Richtigen gefunden!«
»Ihr meint, die beiden sind⦠zusammen?«
»Logo. Was denn sonst?«
Ein blasses Mädchen mit Hightech-Gehgips und Arm in der Schlinge gab einen begeisterten Kiekser von sich. » Ich find das jedenfalls toll! Sich in der Klapse kennenlernen und dann zusammen durchbrennen â ist doch superromantisch!«
»Klar, Laura. Auf alle Fälle besser, als aus Liebeskummer ausm zweiten Stock zu springen«, erklärte einer der Tischtennisspieler trocken und warf einen bezeichnenden Blick auf die Blessuren seiner Mitpatientin.
»Wenn Sie mich fragen«, wandte er sich an Nico, »die müssen von einem von den Gartenarbeitern rausgeschmuggelt worden sein. Anders kommt man hier nicht weg. Und zu Fuà schon gar nicht.«
Der Rest war einfach: ein bisschen Small Talk mit dem Pförtner, ein bisschen auf die Lauer legen und die Gärtner beobachten und schlieÃlich Svenni Martens â nachdem er sich als der Fahrer der Truppe herausgestellt hatte â unter Vorspiegelung gartenbaulicher Interessen zum Bier einladen.
»Wenn Sie mal was brauchen ⦠ich kann da billig an Materialien kommen â¦Â«, hatte Svenni nach dem dritten Glas vertraulich erklärt, und als sie zu Jägermeister und freundschaftlichem Du übergingen, hatte er es sich nicht nehmen lassen, Nico in aller Ausführlichkeit von den Schönheiten der ostfriesischen Moorseen im Allgemeinen und seinem Grundstück bei Bedekaspel im Besonderen vorzuschwärmen.
Der Rest war trotz des Alkoholspiegels ein Kinderspiel: Nicos BMW schaffte locker seine 200 Kilometer in der Stunde und in der gesamten Umgebung von Bedekaspel gab es nur ein einziges abrissreifes Haus.
Kapitel 10
N achdem feststand, dass sich ein Fremder in der Nacht auf dem Grundstück herumgetrieben hatte, fiel der Borkum-Ausflug natürlich ins Wasser.
Kelly, Malin und Anatol beschlossen einstimmig, dass es besser war, wenn niemand allein im Haus zurückblieb. Zwar hatte es sich Kelly zufolge bei dem nächtlichen Eindringling wahrscheinlich um nichts weiter, als einen harmlosen Kneipengast gehandelt, der auf dem Weg zurück zum Campingplatz diskret seine Blase entleeren wollte, aber sicher waren die drei sich natürlich nicht.
Also war Kelly â erstaunlicherweise ohne den üblichen Flunsch zu ziehen â allein zum See gelaufen, um eine Runde zu schwimmen, und Anatol hatte Hacke und Spaten aus dem Schuppen geholt und damit begonnen, auf Svennis Grundstück Ordnung zu schaffen. »Wenn ichâs schaffe, werd ich auch noch Svennis Gemüsegarten wieder herrichten. Aber heute fang ich erst mal an, diese fürchterlichen Brombeeren zu roden. Schmecken ja gut, aber im Garten sind die Sträucher die reinste Pest!«
Vom Fenster aus beobachtete Malin eine Zeit lang, wie Anatol dem stacheligen Gewirr mit Spaten und Spitzhacke zu Leibe rückte; völlig weltvergessen und ohne Rücksicht darauf, dass ihm ohne schützendes T-Shirt ein kräftiger Sonnenbrand sicher war.
Es war gut zu wissen, dass er in der Nähe war bei dem, was sie vorhatte. Es war überhaupt gut, dass er in der Nähe war. Als ob er ihre Gedanken gespürt hatte, stellte er einen Moment lang den Spaten ab, wischte sich den Schweià von der Stirn und winkte zu ihr herüber.
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