Schattenherz
sie am liebsten mitsamt ihren Klamotten und dem schicken roten Mini Cooper zum Teufel geschickt.
Andererseits â¦
Andererseits war ihr klar, dass sie â um Kelly die ganze Knast-Aktion zu erklären â ohnehin nicht darum herumgekommen wäre, mit der Wahrheit herauszurücken.
Was hast du denn erwartet, Malin?! , ging sie mit sich ins Gericht. Die Aktion mit den Batterien und Kellys Einstieg in die Villa: Die Frau hat sie doch nicht mehr alle! Auf jeden Fall hat sie nicht erst seit heute extrem andere Vorstellungen von Freundschaft als du!
Andererseits hat sie uns stundenlang in der Gegend herumkutschiert. Und sie hat uns Svenni vom Hals gehalten und vom Schlafsack bis zum Salzstreuer für das gesamte Ferienhaus-Equipment gesorgt; ganz zu schweigen von Klamotten, Lebensmitteln, ein paar ausgesucht guten Secondhand-Krimis und Schreibpapier!
Und das alles auch noch auf eigene Kosten!
Nach weiteren zehn Minuten eisigen Schweigens war Malin klar, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als einen Pakt mit dem Teufel zu schlieÃen.
Vielleicht sind Anatol und ich für sie ja so was wie ân Geocaching-Abenteuer: Jede Menge verborgene Schätze und spannende Action garantiert! Ein Rund-um-die-Uhr-Live-Unterhaltungsprogramm! Eine Art fleischgewordenes Computerspiel!
»Okay, Kelly«, sagte sie schlieÃlich, »da du ja offensichtlich total auf Heimlichkeiten und Verbotenes stehstâ¦Â«
»Nee, nee, nee, komm mir bloà nicht so!«, fuhr Kelly schnippisch dazwischen. »Du hast mir nie verboten, deinen MP3-Player abzuhören!«
Anatol verwarf die Hände und sprang auf. »Sag mal, Kelly, hast duâs immer noch nicht begriffen?! Wie würdest du das denn finden, wenn jemand einfach dein Tagebuch lesen würde, hm?«
Kelly machte Kulleraugen. »Aber ⦠ich schreib doch überhaupt kein Tagebuch â¦Â«
»Komm, lass«, sagte Malin resigniert und zog Anatol zurück auf seinen Platz, »die Sache ist gelaufen. Und vielleicht ist das ja sogar ganz gut so. Dann hat die Versteckspielerei wenigstens ein Ende.«
»Ja, genau! Ist doch supi!« Kelly klatschte vor Begeisterung in die Hände und schenkte den Rotwein aus. »Kommt! Darauf trinken wir!«
Wenn Kelly das mit dem Besuch im Knast verzockt, hab ich vielleicht nie wieder âne Chance , dachte Malin. Aber was bleibt mir schon anderes übrig?
Wie erwartet, war Kelly Feuer und Flamme für Malins Plan. Nicht dass sie Malins Behauptungen, ihr Adoptivvater trachte ihr nach dem Leben, mehr Glauben schenkte, nachdem sie die Zeitungsartikel über Christina Kowalskis Prozess gelesen hatte. Aber sie fand die Idee, sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in eine Frauenhaftanstalt zu schmuggeln, einfach groÃartig.
»Vielleicht solltest du trotzdem davon absehen, das Ganze als Super-Event auf eurer Geocaching-Homepage zu veröffentlichen«, bemerkte Anatol ironisch.
»Wieso? Im Knast gibtâs doch keine Caches!«, erwiderte Kelly entrüstet und begann sofort einen neuen Vortrag. »Beim Geocaching gehtâs doch nicht einfach nur um irgendwelche Abenteuer! Entweder du versteckst selber was oder du suchst ein Versteck, und bei den Verstecken gibt es dann auch noch die verschiedensten Arten. Also zum Beispiel von der GröÃe her. Oder welche, wo ân Travelbug drin ist, oder welche, bei denen du irgendwas Schönes reintust und â¦Â«
»Ja!!! Wir habenâs ja kapiert! Danke!«, unterbrach Anatol sie ungewohnt aggressiv. »War ân blöder Spruch von mir, okay? Ich wollt dir damit nur noch mal klarmachen, was für Malin von der ganzen Sache abhängt und dass du mit absolut niemandem darüber reden darfst!«
»Ja, für wie blöd hältst du mich denn? Meinst du, ich veröffentlich die ganze Nummer auf Facebook oder was?«
Beinahe hätte Malin »Würd ich dir glatt zutrauen« gesagt. Stattdessen presste sie eisern die Lippen zusammen.
»Desperate times call for desperate measures«, hat eins von unseren Au-pair-Mädchen immer gesagt.
Maggie, aus Birmingham.
Dann war sie heimlich aus dem Küchenfenster gestiegen, um in die Disco zu gehen.
Verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte MaÃnahmen oder: In der Not frisst der Teufel Fliegen â¦
Die nächsten Tage verbrachten die drei mit der intensiven Vorbereitung ihres Coups. SchlieÃlich musste alles zu hundert Prozent glaubwürdig klingen.
Kelly
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