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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Iome.
    »Das habe ich«, antwortete die Freifrau.
    »Und?«
    »Ich bitte darum, hierbleiben zu dürfen«, sagte Freifrau Opinsher.
    Iome schüttelte erstaunt den Kopf. »Warum?«
    »Ich bin alt«, erklärte die Freifrau. »Mein Gemahl ist tot.
    Meine Söhne sind allesamt in den Diensten Eures Großvaters gefallen. Ich habe nichts mehr, wofür ich leben kann. Ich möchte mein Haus nicht im Stich lassen.«
    »Es ist ein prachtvolles Haus«, befand Iome. »Und es sollte auf Euch warten, wenn Ihr zurückkehrt.«
    »Achthundert Jahre lang hat meine Familie hier gelebt«, erzählte die Freifrau. »Ich will nicht fort. Ich werde nicht fortgehen. Weder Euch oder sonst jemandem zuliebe.«
    »Nicht einmal Euch selbst zuliebe?« fragte Iome. »Nicht einmal für Euren König?«
    »Mein Entschluß steht fest.«
    Ich könnte Sir Donnor befehlen, sie aus dem Haus zu zerren und mit den Posten zu kämpfen, überlegte Iome. Sie bezweifelte, ob die alten Herren Sir Donnor viel Ärger bereiten würden, denn er galt als hervorragender Krieger. Borenson war einmal gegen ihn angetreten und hatte ihn anschließend zum Kommandanten der Königsgarde befördert.
    »Das Leben hat einen Sinn«, beschwor Iome sie. »Wir leben nicht ausschließlich für uns selbst. Ihr seid vielleicht alt, doch Ihr könnt anderen helfen. Wenn Euch noch ein wenig Weisheit, Freundlichkeit oder Mitgefühl erhalten geblieben ist, könnt Ihr anderen noch immer helfen.«
    »Nein«, erwiderte Freifrau Opinsher. »Ich fürchte, nicht.«
    »Gaborn hat in Euer Herz geblickt. Er hat gesehen, was in Euch steckt. Euer Lord kennt Euer Herz.« Freifrau Opinsher war für ihre Wohltätigkeit bekannt, und Iome glaubte zu verstehen, warum Gaborn die alte Frau Erwählt hatte. »Er hat Euren Mut erblickt und Euer Mitgefühl.«
    Mit einem trocken-vergnügten Lachen gab Freifrau Opinsher zurück: »Diese Eigenschaften sind mir gerade heute morgen ausgegangen. Könnte mein Dienstmädchen sie auf dem Markt erstehen, ich würde sie holen und vor meiner Schlafzimmertür ablegen lassen. Nein«, setzte sie mit Nachdruck hinzu. »Ich gehe nicht fort!«
    Damit schloß sie die Tür.
    Iome war verzweifelt. Die alte Frau empfand vielleicht Mitgefühl, aber sie glaubte nicht mehr daran, daß das Morgen besser sein könnte als das Heute, daß es sich lohnte, für ihr Leben zu kämpfen, oder daß sie etwas von Bedeutung zu geben hätte. Iome konnte die Beweggründe der Frau nur vermuten.
    »Dann könnt Ihr bleiben«, sagte Iome zur Tür. Sie würde niemanden aus dem eigenen Haus zerren, der sich mit Händen und Füßen dagegen sträubte. »Aber Ihr werdet Eure Bediensteten entlassen. Ihr werdet nicht erlauben, daß sie mit Euch zugrunde gehen. Sie müssen fliehen.«
    »Ganz wie Ihr wünscht, Euer Hoheit«, antwortete die Freifrau.
    Iome drehte sich um und wollte den Befehl erteilen, doch das Dienstmädchen rannte bereits, froh, fliehen zu dürfen. Iome starrte Myrrima einen Augenblick lang an. Die dunkeläugige Schönheit wirkte nachdenklich.
    »Selbst Euer Gemahl kann niemanden retten, der nicht gerettet werden will«, sagte sie. »Es ist nicht seine Schuld. Und unsere auch nicht.«
    »Sir Donnor, geht zur Stadtgarde und laßt jedes Gebäude in der Stadt durchsuchen«, trug sie ihrem Begleiter auf. »Stellt fest, wie viele es von ihrer Sorte noch gibt. Warnt sie in meinem Namen, daß sie fortgehen müssen.«
    »Sofort«, antwortete Sir Donnor, drehte sich auf dem Absatz um und eilte hastig von dannen.
    »Das wird Stunden dauern«, sagte Myrrima, nachdem er gegangen war.
    Iome war der leicht fragende Unterton in Myrrimas Stimme keinesfalls entgangen. Was sie meinte, war: »Wenn wir das tun, wann brechen wir dann auf?«
    Iome biß sich auf die Unterlippe und schaute zu ihrer Days hinüber, als suche sie nach einer Antwort. Die würdige alte Dame blieb wie gewöhnlich stumm. »Wir verfügen über schnelle Pferde«, meinte Iome. »Wir können in einer Stunde weiter kommen als ein Bauer an einem ganzen Tag.«
     
    Iome traf den Zauberer Binnesman unten bei einem Gasthaus an, wie er versprochen hatte. Das Gasthaus, ein ehrwürdiges, altes Haus mit dem Namen ›Der Hort des Ebers‹, war das größte in der Stadt, und sein Keller war ein regelrechter Irrgarten. Riesige Eichenfässer verströmten hier unten den Geruch von Bierhefe, und von den Deckenbalken hing büschelweise getrocknetes Bierkraut. Auch nach Mäusen roch es, obwohl überall wilde Katzen davonhuschten, als Iome, Myrrima, Sir Donnor und Iomes

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