Schattenherz
beherrschen.
Dem Herzog war ihr Blick nicht entgangen. »Hört mich zu Ende an«, sagte er zu Gaborn. »Ich biete Euch diese Welpen nicht leichtfertig dar, Eure Hoheit. Ihr habt Gaben von Männern übernommen, und ich weiß, als Eidgebundener Lord verspürt Ihr einen gewissen Widerwillen dagegen. Zwar haben sich während der vergangenen Woche viele erboten, Euch als Übereigner zu dienen, doch tatsächlich haben weder Ihr noch Eure Königin Gaben übernommen. Nichtsdestotrotz müssen wir uns auf das vorbereiten, was da kommt.«
Myrrima erschrak, als sie den Herzog eben jenen Gedanken laut wiederholen hörte, der sie noch vor einer Stunde so bedrückt hatte.
»Das ist eine schwerwiegende Entscheidung«, pflichtete Gaborn ihm bei. Sein Blick wirkte gehetzt, gequält. Myrrima hatte sich bereit erklärt, Gaben der Anmut und Geisteskraft von ihren Schwestern und ihrer Mutter zu übernehmen. Sie wußte nur zu gut, welche Schuldgefühle aus einer solchen Tat erwuchsen. Der König sagte: »Nie mehr werde ich leichtfertig die Kraft, das Durchhaltevermögen oder die Geisteskraft eines anderen Mannes übernehmen. Dennoch habe ich mir überlegt, es zu tun, zum Wohl des Königreichs.«
»Verstehe«, erwiderte Groverman aufrichtig. »Aber ich bitte meinen Lord und meine Dame zu überlegen, ob es Rechtens ist, die Gaben eines Hundes zu übernehmen.«
Iome straffte sich. »Herzog Groverman«, fauchte sie, »das ist ein Verbrechen!«
Der Herzog blickte sich nervös um. Jetzt erkannte Myrrima die Rasse, nicht weil sie je solche Welpen gesehen, sondern weil sie von ihnen gehört hatte. Manche Männer züchteten Hunde um ihrer Gabe willen – Hunde, die ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen besaßen und eine starke Nase hatten.
»Ist es ein geringeres Verbrechen, die Gabe eines Mannes zu übernehmen?« konterte Groverman zu seiner Verteidigung.
»Es heißt, man benötige die Gaben des Geruchssinns von fünfzig Männern, um den eines einzigen Hundes zu erlangen.
Ich bin überzeugt, die Nasen meiner Welpen sind hundertmal besser als die eines normalen Mannes. Ich frage Euch also, was ist besser, die Gabe des Geruchssinns von einhundert Männern zu übernehmen oder die von einem einzigen Hund?
Was das Durchhaltevermögen anbelangt, diese Hunde sind auf Zähigkeit gezüchtet. Über Tausende von Generationen haben die Wolflords sie auf dem Kampfplatz gegeneinander antreten lassen, damit nur die kräftigsten überleben. Unze für Unze kann Euch kein Mann einen besseren Quell des Durchhaltevermögens liefern.
Auch Stoffwechsel und Gehör können von solchen Hunden übernommen werden, allerdings furchte ich, meine Welpen sind zu klein, um Muskelkraft zu liefern. Und wohingegen ein Mann seine Gabe bereitwillig abtreten muß, weshalb es ihm oft nicht gelingt, eine Eigenschaft vollständig zu übertragen, werden diese Welpen, vorausgesetzt Ihr spielt mit ihnen ein, zwei Tage lang, eine so unvergängliche Treue entwickeln, daß ihre Eigenschaften verlustlos übertragen werden können. Kein anderes Lebewesen liebt den Menschen so vollkommen, wird Euch so vollständig treu ergeben sein wie diese Welpen.«
Iome sah so wütend aus, daß sie kein Wort hervorbrachte.
Gaben von einem Hund zu übernehmen galt gemeinhin als Greueltat. Mancher edelmütige König hätte den Herzog für seinen Vorschlag, die Welpen für die Übernahme von Gaben zu benutzen, in den Burggraben geworfen.
Gaborn selbst war ein Eidgebundener Lord, und Iome war die Tochter eines solchen. Ein Eidgebundener Lord legte ein Gelübde ab, nur Gaben von solchen Untergebenen entgegenzunehmen, die bereit waren, diese abzutreten. Bei solchen Untertanen handelte es sich um Männer oder Frauen, die über eine herausragende Eigenschaft verfügten, zum Beispiel einen regen Verstand oder ein außerordentliches Durchhaltevermögen, denen es aber häufig an den anderen notwendigen Eigenschaften eines guten Kriegers mangelte. In dem Bewußtsein, ihrem Lord nicht als Soldat dienen zu können, entschieden sie sich dann vielleicht, ihre Geisteskraft oder ihr Durchhaltevermögen zur Verfügung zu stellen, was sie, zum größeren Wohl der Menschen in ihrer Umgebung, der Demütigung durch das Zwingeisen aussetzte.
Aber nicht alle Lords in Rofehavan waren Eidgebunden.
Gaborns eigener Vater hatte sich einst als ›Pragmatiker‹
bezeichnet. Pragmatiker kauften des öfteren Gaben. Manch einer war bereit, seinem Lord gegen Gold die Dienste seiner Augen oder Ohren zu überlassen, denn so
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