Schattenherz
als könnte sie jeden Augenblick vor Wut aus der Haut fahren und dem Herzog die Haare ausreißen.
»Könnt Ihr so viele bis zum Frühjahr liefern, was meint Ihr?«
fragte Gaborn. »Die Zahl scheint mir sehr hoch.«
»Sehr viel eher«, antwortete Groverman. »Draußen warten siebenhundert Welpen – auf Karren. Die anderen werden in wenigen Wochen soweit sein.«
Normalerweise war der Herbst nicht gerade die beste Jahreszeit, um Hunde zu züchten, das wußte Myrrima. Im Frühjahr und Sommer waren Geburten wesentlich häufiger.
Diese siebenhundert Welpen mußten ungefähr während der letzten sechzehn Wochen geboren worden sein.
»Meinen Dank«, sagte Gaborn. Er setzte seinen Welpen auf dem Fußboden ab und machte sich wieder über sein
Frühstück her, während Groverman mit Kaylin im Schlepptau den Raum verließ.
Der Welpe des Königs tappte herbei und versuchte einen Moment lang, Myrrima den Fuß vom Bein zu reißen, indem er an ihrem Schuh herumzerrte, bis sie ihm schließlich ein Würstchen von ihrem Teller gab.
Iome schien die Anwesenheit der Welpen so sehr aus der Fassung zu bringen, daß Myrrima sich erbot: »Wollt Ihr, daß ich die Hunde hinaus zu den anderen bringe?«
Iome nickte, und Myrrima schnappte sich die kleinen Hunde und nahm einen Teller voller Würstchen mit. Sie verließ den Bergfried und traf Kaylin auf der Wiese an, wo er etwas hilflos vor einem Karren mit jungen Hunden stand.
Gaborns neuer Berater Jureem, der bis vor kurzem in Diensten Raj Ahtens gestanden hatte, stand, Myrrima den Rücken zukehrend, neben ihm und gab dem Jungen Anweisungen. Jureem sprach mit lauter Stimme, um bei dem Gekläff der Tiere gehört zu werden.
»Natürlich wirst du unermüdlich deinen Dienst versehen«, sagte Jureem. »Die Hunde werden, was Futter, Wasser, Unterkunft und das Waschen anbetrifft, auf dich angewiesen sein. Du mußt dafür sorgen, daß sie bei Kräften bleiben.«
Kaylin nickte heftig. Myrrima blieb hinter Jureem stehen.
Während der letzten paar Tage hatte sie den Mann dabei beobachtet, wie er dem Hauspersonal Anweisungen erteilte und hier ein Zimmermädchen, dort einen Pferdepfleger herumgescheucht hatte. Jetzt wollte sie hören, was der ehemalige Sklave aus einem fernen Land zu sagen hatte.
»Ein guter Diener gibt für seinen Lord das Beste«, intonierte Jureem mit gespielter Übertreibung in schwerem taifanischem Akzent. »Er erlaubt sich keine Müdigkeit und drückt sich nie vor seiner Pflicht. Niemals darf er in seinem Eifer erlahmen. Er dient seinem Lord mit jedem Gedanken und jeder Tat und erfüllt die Wünsche seines Lords, noch bevor sie ausgesprochen werden. Sein eigenes Leben – seine Träume und Vergnügungen – gibt er auf, um seinem Lord zu dienen.
Bist du dazu in der Lage?«
»Aber«, wandte der Junge ein, »ich will mich doch bloß um die kleinen Hunde kümmern.«
»Wenn du ihnen dienst, dann dienst du deinem Lord. Das ist die Aufgabe, die er für dich ausgewählt hat. Sollte er dir aber eine andere Aufgabe auftragen, dann mußt du bereit sein, jeden seiner Befehle zu befolgen. Hast du das verstanden?«
»Meint Ihr, er könnte mich von den Hunden wegnehmen?«
greinte der Junge.
»Eines Tages, ja. Wenn du deine Arbeit gut machst, wird er deine Pflichten erweitern. Zusätzlich zu den Hundezwingern könnte er dir die Verantwortung über die Pferdeställe übertragen oder dich bitten, Hunde für den Krieg abzurichten.
Vielleicht fordert man dich sogar auf, Gardist zu werden und Waffen zu tragen – denn selbst die Übereignerhunde in den Zwingern könnten zum Ziel für Raj Ahtens Meuchelmörder werden.
Schau dir den König an. Er arbeitet unermüdlich für sein Volk. Lerne aus seiner Hingabe. Wir alle leben, um einander zu dienen. Ein Mann ist nichts ohne seinen Lord. Ein Lord ist nichts ohne seine Diener.« Damit ließ Jureem ihn stehen und eilte fort, um sich anderen Pflichten zu widmen.
Der Junge schien über die Worte des Beraters nachzudenken, dann blickte er auf und sah Myrrima an. Ihm stockte der Atem. Er lächelte sie auf jene hoffnungsvolle Weise an, die viele Männer vor ihr präsentierten, seit sie eine Gabe der Anmut übernommen hatte.
Sie setzte beide Welpen zu ihren Füßen ab und streichelte sie, während die ihre Würstchen gierig hinunterschlangen. Bis zu diesem Augenblick hatte selbst Myrrima nicht gewußt, wie sie sich verhalten würde.
Dennoch wußte sie, daß sie sich darauf vorbereiten mußte, und zwar von nun an unermüdlich, wie ihr bei
Weitere Kostenlose Bücher