Schattenherz
entgegnete Groverman. »Ich erwähne die Möglichkeit nur aus praktischen Erwägungen. Während Ihr gespeist habt, stand ich eine halbe Stunde vor Eurer Tür, und Ihr wußtet nichts davon! Wäre ich ein Meuchelmörder gewesen, hätte ich Euch leicht hinterrücks überfallen können. Hättet Ihr dagegen aber die Gabe des Geruchssinns eines einzigen Hundes besessen, brauchtet Ihr mich weder zu sehen noch zu hören, um zu wissen, daß ich vor Eurer Tür stehe.«
»Ich will nicht ›Wolflord‹ genannt werden«, wandte Iome ein. Sie setzte den Welpen auf den Fußboden. Er trollte zu Myrrima hinüber und schnupperte an ihrem Bein.
Sie kraulte ihn am Ohr.
Gaborn schien der Vorschlag nicht aus der Fassung gebracht zu haben. Myrrima fragte sich, ob das am Einfluß seines Vaters lag. Sein Vater hatte stets im Ruf gestanden, ein kluger Mann zu sein.
Myrrima überlegte: Konnte ein Mann mit Prinzipien, eine Führungspersönlichkeit, sowohl ein Eidgebundener Lord als auch ein Wolflord sein?
»Eure Hoheit«, bedrängte Herzog Groverman Gaborn, »ich muß Euch bitten, darüber nachzudenken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Raj Ahten erneut Meuchelmörder schickt. Weder Ihr noch Eure Gattin seid auf den Zusammenstoß mit einem Unbesiegbaren vorbereitet, zudem wird bereits überall herumerzählt, Eure Hoheit habe geschworen, ein Eidgebundener Lord zu werden. Ich weiß nicht, wie Ihr Raj Ahten Widerstand leisten wollt. In der Tat reden die Lords von Heredon kaum über etwas anderes. Gut möglich, daß Ihr dringend Übereigner braucht, wenn Ihr Euch weigert, die Männer für ihre Gaben zu bezahlen.«
Gaborn streichelte nachdenklich das dicke Fellknäuel unter seiner Nase. Der Welpe knurrte und biß Gaborn fest in den Daumen.
»Nehmt Eure Promenadenmischungen und macht, daß Ihr von hier verschwindet«, fuhr Iome Groverman an. »Ich persönlich habe keinerlei Verwendung für die Gaben von Hunden«, erklärte Gaborn. Zu Iome gewandt sagte er: »Und wenn du kein Wolflord sein willst, dann soll dein Wunsch erfüllt werden. Wir können dem Welpen immer noch beibringen, Fremde zu verbellen, und ihn in unseren Gemächern halten. Der Kleine wird auf dich aufpassen und dir auf diese Art vielleicht das Leben retten.«
»Ich dulde nicht, daß er mir unter die Augen kommt«, entschied Iome. Myrrima nahm den Welpen der Königin beschützend auf den Arm, wo er seinen Kopf an ihrem Busen rieb, dann blickte sie ihm einfach fest in die Augen.
»Dann steht unsere Entscheidung fest«, sagte Gaborn zu Iome. »Aber was die Truppen anbelangt, hat Groverman recht.
Ich brauche Späher und Gardisten mit guten Nasen, die Hinterhalte wittern können. Meine Männer sollen selbst entscheiden, ob es ein Kompliment oder ein Fluch ist, Wolflord genannt zu werden.«
Mit einem Nicken gab Gaborn Groverman zu verstehen, daß er das Geschenk entgegennahm. »Meinen Dank an Euch, Euer Lordschaft.«
Gaborn betrachtete den Jungen, der die Welpen her—
eingebracht hatte, und Myrrima erkannte, daß das Geschenk nicht bloß die Hunde, sondern auch den Jungen beinhaltete.
Es war ein dunkelhaariger, schlanker Bursche. Selbst wie ein Wolflord.
»Sag mir deinen Namen!« bat ihn Gaborn.
»Kaylin«, antwortete der Junge und ging auf ein Knie.
»Das sind prachtvolle Hunde. Du bist ihr Ausbilder, denke ich.«
»Ich hab’ dabei geholfen.« Die Sprache des Jungen war unfein, aber seine wachen Augen verrieten seine Intelligenz.
»Magst du diese kleinen Hundchen?« fragte Gaborn.
Der Junge schniefte und unterdrückte blinzelnd eine Träne.
Er nickte.
»Warum bist du so traurig?«
»Ich hab’ ihnen zugesehen, seit sie auf die Welt gekommen sind. Ich will nicht, daß ihnen etwas zustößt, Euer Hoheit.«
Gaborns und Grovermans Blicke trafen sich. Der Herzog lächelte und deutete mit dem Kopf auf den Jungen.
»Also, Kaylin«, fragte Gaborn, »wärst du bereit, hier in der Burg zu bleiben und sie für mich zu versorgen?«
Dem Jungen fiel vor Staunen die Kinnlade herunter.
Myrrima vermutete, daß Groverman das Kind auf diese Entwicklung nicht vorbereitet hatte.
Gaborn lächelte den Herzog nur freundlich an. »Wie viele dieser Welpen könnt Ihr mir besorgen?«
Der Herzog lächelte. »Ich habe sie jetzt vier Jahre lang sich beliebig vermehren lassen. Ich habe den Ärger gewittert, der sich zusammenbraut. Würden eintausend Eurer Hoheit zusagen?«
Gaborn schmunzelte. Das war ein fürstliches Hochzeitsgeschenk, trotz des Umstandes, daß Iome den Eindruck erweckte,
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