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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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Averan«, sagte Tiermeister Brand, »du wirst gebraucht.«
    Averan drehte sich, um ihn im Licht des Vordämmers zu betrachten, wenn auch nicht besonders schnell. Im riesigen, schattigen Schlag des Graakhorsts konnte sie Brand eher über das Geräusch seiner Schritte orten als mit den Augen. Sie beschäftigte sich gerade damit, einige soeben flügge gewordene Graaks zu füttern, und traute sich nicht, den Blick von den Reptilien abzuwenden. Die Graaks hatten ein Schultermaß von vierzehn Fuß und waren imstande, ein Kind wie Averan mühelos in einem Stück zu schlucken. Obwohl die Graaks sie geradezu vergötterten und Averan sie gefüttert hatte, seit sie sich mit ihren Krallen aus ihren ledrigen Eiern geschält hatten, würden sie wahrscheinlich nach ihr schnappen, wenn sie hungrig waren. Manchmal versuchten sie, ihr das Fleisch mit der langen Flügelkralle aus der Hand zu reißen. Averan hatte keine Lust, einen Arm zu verlieren, so wie Brand vor langer Zeit.
    Himmelsgleiter, überlegte sie. Er hat mich Himmelsgleiter genannt, nicht Tierpfleger. Mit ihren neun Jahren war Averan zu groß und zu alt für eine Himmelsgleiterin. Seit zwei Jahren hatte man ihr nicht mehr zu fliegen erlaubt.
    Brand stand in der Tür des Horsts, während das trübe Morgenlicht ihn mit einem Hof umgab. An seinem Gürtel war, als Lockmittel für die Graaks, mit einer Seilschlinge eine Lammkeule befestigt. Er kniff die Augen zusammen und strich sich mit der Linken durch den Bart. Sie fragte sich, ob er gestern abend zu viel jungen Wein getrunken und ihr Alter vergessen hatte. »Ist das…?«
    »Mein Ernst? Aber ja«, brummte Brand kurz angebunden und angespannt. Plötzlich merkte sie, daß er zitterte.
    »Außerdem müssen wir uns beeilen.« Schließlich machte er kehrt und ging auf die Schläge zu.
    Im trüben Dämmerlicht stiegen die beiden über die in den Stein geschlagenen Stufen hinauf in den oberen Horst. Die Nester hier oben stanken. Die älteren Graaks hatten einen Geruch an sich, der dem einer Schlange nicht unähnlich war, und nach Jahrhunderten ihrer Anwesenheit war dieser bis in den Fels des Horsts gezogen. Averan hatte längst gelernt, den Geruch zu mögen, so wie manche Menschen angeblich am Gestank von Pferdeschweiß oder von Hunden Gefallen fanden.
    Die Treppe weitete sich zu einem breiten Raum mit einem einzigen schmalen Eingang, den man in die Ostseite des Hügels gemeißelt hatte. Im schwachen Licht erkannte sie, daß er leer war. Die Graaks waren auf ihrer morgendlichen Jagd.
    Im kühlen Herbstwetter wurden sie oft ruhelos und hungrig.
    Averan folgte Brand hinaus auf den Landeplatz. Er blieb einen Augenblick lang stehen, löste die Lammkeule vom Gürtel und vergewisserte sich, daß der Strick fest zwischen einer Sehne und dem Knochen des Gelenks klemmte. Dann stand er da und ließ den riesigen, unförmigen Köder kreisen.
    Es brauchte schon einen erwachsenen Mann, den Graakköder auf diese Weise herumzuwirbeln.
    »Ledernacken!« rief er. »Ledernacken.«
    Der Graak war darauf abgerichtet, auf seinen Namen zu reagieren. Das Lammfleisch diente der Belohnung für das Ungeheuer, sollte es tatsächlich kommen.
    Averan suchte den morgendlichen Himmel ab. Das Reptil war nirgendwo zu sehen. Ledernacken war alt und groß, ein Tier mit großem Durchhaltevermögen, wenn auch nicht sehr schnell. Es wurde nur noch selten als Reittier benutzt. Im Laufe des vergangenen Sommers hatte es sich angewöhnt, sich beim Jagen zunehmend weiter zu entfernen.
    Im Westen ragte das Hestgebirge auf, dessen schroffe Gipfel von den leichten Schneefällen der vergangenen Nacht weiß leuchteten. Am Hang unterhalb des Horsts erhob sich Bergfried Haberd – fünf steinerne Türme, deren Mauern sich über beide Flanken des schmalen Passes erstreckten, der in das Gebirge hineinführte. Innerhalb der Burgmauern herrschte Durcheinander – Menschen riefen und liefen umher. Einige hielten noch immer Fackeln in den Händen. Ihre Stimmen klangen dünn und fern. Unten auf dem Anger kletterten Frauen und Kinder auf Karren, um zu fliehen.
    Erst jetzt erkannte Averan, daß da etwas ganz und gar nicht stimmte. »Was ist denn dort unten los?«
    Brand legte die Lammkeule ab, als sei er müde, und
    betrachtete sie lange mit einem abschätzenden Blick.
    »Eben traf ein Knappe mit Nachrichten aus den Bergen von Morneshire ein. Im Aleairgebirge ist ein Vulkan ausgebrochen.
    Außerdem sind Greifer aufgetaucht. Der Reiter schätzt, unter den Greifern befinden sich an die

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