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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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machen, so hassen wir ihn dafür.
    Wenn aber jemand deine Sphäre vergrößert, dann nennen wir ihn gut. Lobt er dich vor anderen, verbessert er deine Stellung in der Gemeinschaft, wirst du ihn dafür lieben.
    Iome, tief in mir steckt ein Gefühl, das ich nicht anders zum Ausdruck bringen kann als so: Das Leben aller Menschen, ihr Schicksal, ist hier, ein Teil meiner Sphäre!«
    Er zeigte auf das Diagramm, mit einer vagen Handbewegung auf die gemeinschaftliche und die unsichtbare Sphäre deutend. Iome hob den Kopf und sah ihm in die Augen, als hätte sie begriffen. Sie war ihr Leben lang ein Runenlord gewesen, war auf bescheidene Weise mit den Angelegenheiten des Staates betraut worden. Sie hatte die Hoffnungen, Träume und Schicksale ihres Volkes als Teil ihrer Sphäre akzeptiert.
    »Verstehe«, erwiderte sie leise.
    »Ich weiß.« Gaborn atmete auf. »Zum Teil, aber nicht ganz.
    Ich spüre… ich spüre, wie der Umsturz näher rückt. Die Erde warnt mich. Gefahr ist im Anzug. Nicht nur für mich und dich, sondern für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind, das ich Erwählt habe.
    Ich muß alles in meiner Macht Stehende tun, um sie zu beschützen – was ich nur kann, selbst wenn ich zum Scheitern verdammt sein sollte.
    Ich muß ein Bündnis mit Raj Ahten anstreben.«
    Iome bemerkte seine Inbrunst bei diesen Worten und wußte, daß er nicht bloß seiner Entschlossenheit Ausdruck verleihen wollte. Er war um ihr Einverständnis bemüht.
    »Und wo passe ich in deine Kreise hinein?« fragte sie mit einem Wink auf das Blatt in Gaborns Schoß.
    »Du bist das Ganze«, antwortete er. »Begreifst du nicht? Dies ist weder dein Bett noch meins. Dies ist unser Bett.« Er deutete auf sich selbst. »Dieser Körper gehört weder dir noch mir, er gehört uns. Dein Schicksal ist mein Schicksal. Und mein Schicksal ist deines. Deine Hoffnungen sind meine Hoffnungen, und meine Hoffnungen müssen zwangsläufig deine sein. Ich will keine Mauern zwischen uns. Existierten sie, dann wären wir nicht wirklich verheiratet. Wir wären nicht richtig eins.«
    Iome nickte. Sie verstand. Sie hatte zuvor schon Paare erlebt, die im Laufe der Zeit so viel miteinander geteilt hatten und sich so nahe gekommen waren, daß sie sogar die merkwürdigsten Eigenheiten und Vorstellungen voneinander übernommen hatten.
    Iome sehnte sich nach einer solchen Vereinigung.
    »Du hältst dich für so klug«, meinte sie, »wenn du verbotene Lehren zitierst. Aber auch ich habe etwas aus dem Saal der Träume gehört.«
    »Im Haus des Verstehens, im Saal der Träume, heißt es, ein Mensch werde weinend geboren. Er weint, weil er die Brust will. Er weint, weil es ihn nach Wärme und Liebe verlangt. Mit dem Älterwerden lernt er, seine Wünsche auseinanderzuhalten. ›Ich will Nahrung!‹ greint er. ›Ich will Wärme. Ich will, daß es wieder hell wird.‹ Und wenn eine Mutter ihr Kind tröstet, sind auch ihre Worte nichts als ein einziges Gejammere, ›Ich will, daß du Freude hast‹.
    Während man die Sprache erlernt, sind fast alle unsere Äußerungen nur genauer definierte Klageschreie. Höre auf jedes Wort, das ein Mann dir gegenüber äußert, und du lernst, die Bitten herauszuhören, die in jeden von ihm ausgesprochenen Gedanken eingebettet sind. ›Ich will Liebe.‹
    ›Ich will getröstet werden.! ›Ich will Freiheit!‹«
    Iome hielt, der besseren Wirkung wegen, einen Augenblick inne, und in dieser tiefen und plötzlichen Stille wußte sie, daß sie seine ganze Aufmerksamkeit besaß.
    Dann brachte sie ihre Bitte vor. »Gaborn, kapituliere nicht vor Raj Ahten. Wenn du mich liebst – wenn du dein Leben und dein Volk liebst, kapituliere niemals vor ihm.«
    »Solange mir diese Wahl bleibt«, antwortete Gaborn, der endlich wieder vernünftig zu werden schien.
    Sie stieß sein Buch zu Boden und nahm sein Kinn in die Hand, küßte ihn fest und zog ihn aufs Bett.
     
    Zwei Stunden darauf stießen die Gardisten oben auf der Burgmauer einen entsetzten Schrei aus und zeigten zum Fluß Wye hinüber, wo dieser sich durch die frisch ergrünten Felder wand. Stromaufwärts hatte sich der Fluß rot verfärbt, rot wie Blut.
    Die rote, stromabwärts gespülte Flut strömte den scharfen mineralischen Geruch von Kupfer und Schwefel aus. Es war nur Schlamm und Treibsand, dick genug, um das Gewässer zu verunreinigen, die Kiemen der Fische zu verstopfen und sie langsam zu ersticken.
    Gaborn nahm seinen Zauberer mit, um der Sache
    nachzugehen. Binnesman stand knietief im Wasser,

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