Schattenherz
silberner Schellen an Mähne und Schweif seines Tieres befestigt, die ein leises Klingeln von sich gaben.
Hinter dem Pavillon des Barons stand eine Schar fahrender Musikanten. Sie spielten auf Pfeifen und Trommeln eine kleine Melodie und untermalten so mit einer sich dramatisch zuspitzenden Musik eine Attacke, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit nichts weiter als ein paar zerbrochenen Lanzen enden würde. (Schließlich hatte man die Lanzen ausgehöhlt, damit die Krieger, so hoffte man, sich nicht tatsächlich aufspießten, sondern nur einer der jungen Männer von seinem Pferd geworfen wurde. Beim Aufprall zersplitterten die Lanzen mit lautem Krachen, das meilenweit zu hören war. Der Beifall der Zuschauer war dem Recken sicher.) Trotzdem konnte Myrrima sich der Aufregung des Kampfes nicht entziehen. Oft kamen die Kontrahenten bei diesen Veranstaltungen zu Schaden. Selbst ein schlecht gezielter Stoß mit einer Lanze konnte schlimme Prellungen hervorrufen, und ein Ritter, der im Gebrauch der Turnierwaffe nicht sicher war, riß sich womöglich eine Sehne. Eine Lanze konnte sich einem Mann durch sein Visier in sein Gehirn bohren, oder jemand konnte sich beim Sturz vom Pferd das Genick brechen.
Gelegentlich kamen auch Reittiere im Gefecht zu Fall, überschlugen sich und zerquetschten ihre Reiter. Selten endete ein Fest ohne wenigstens ein paar Todesfälle, und das Spektakel wurde dadurch stets noch dramatischer, da es sich um örtlich begrenzte Angelegenheiten handelte, weshalb aller Wahrscheinlichkeit nach einer der Ritter ein Bekannter war, den man bewunderte, den man beneidete, haßte oder liebte.
So schmetterten die Hörner, und die Trommelwirbel
raschelten, die Streitrösser rasten zum Klang der Schellen und unter dem Geklirr der Rüstungen um die Wette, und während dieser ganzen Zeit stockte Myrrima der Atem.
Dies waren Kraftpferde, von denen jedes eine Gabe des Stoffwechsels besaß, und während sie mit ungeheurer Geschwindigkeit aufeinander zurasten und ihre Hufe sich so geschwind bewegten, waren sie kaum noch zu erkennen. Eine Gänsehaut kroch ihr den Rücken hoch.
»Der arme Kerl zur Linken wird gewinnen«, sagte Connal teilnahmslos voraus. »Er hat die richtige Körperhaltung.«
Myrrima bezweifelte, ob es schon bald soweit sein würde.
Ein Tjost verlangte von den Kombattanten womöglich
zwanzig oder dreißig Gänge, bevor ein Sieg errungen werden konnte.
Die Krieger stießen aufeinander, und die Luft füllte sich mit dem Geräusch splitternder Lanzen und dem Geschrei der Pferde. Der reiche Bursche ging, von einer Lanze hintüber geworfen, die ihn voll in die Halsberge traf und seinen Kopf nach hinten stieß, zu Boden. Er versuchte noch, sich an den schweren Zügeln festzuhalten, doch die zerrissen unter seinem Gewicht.
Die meisten Zuschauer spendeten voller Anerkennung
tosenden Beifall, während jene, die auf den gestürzten Ritter gewettet hatten, aus vollem Halse fluchten.
»Ah, der Bursche hat sich die hübschen weißen Pfauenfedern schmutzig gemacht«, heuchelte Myrrima mit weinerlicher Stimme Mitgefühl.
Schwester Connal lachte stillvergnügt in sich hinein. »Die werden Hammer und Zange brauchen, um ihm den Helm
vom Kopf zu zerren.«
Doch der Bursche erhob sich rasch von seinem Sturz und verneigte sich, um der Menge zu versichern, daß er wohlauf war. Hinkend verließ er das Feld. Knappen eilten herbei und gingen daran, ihm seine Rüstung abzunehmen. Sie warfen sie auf einen Haufen, zum Zeichen, daß sie zum Preis für den Sieger geworden war. Myrrima freute sich für den armen Ritter.
Der Geruch frisch in Butter und Zimt gerösteter Haselnüsse stieg von den Händlern in der Menge auf und wässerte ihr den Mund. Sie wollte sich der Siegerehrung anschließen.
»Könntet Ihr den Ritter schlagen«, fragte Myrrima, als der Sieger das Feld, seine gebrochene Lanze hoch erhoben, umkreiste.
»Ach, sicher«, antwortete Schwester Connal. »Aber wo wäre dabei das Vergnügen?«
Das fragte sich Myrrima ebenfalls. Die Pferdelords aus Fleeds waren gefürchtete Krieger, die auf die Stärke einer Führerin mehr Wert legten als auf ihre Abstammung.
Schwester Connal gehörte vermutlich zu den härtesten von allen, zudem besaß sie die Gaben der Muskelkraft, des Durchhaltevermögens und der Anmut, um es mit jedem Krieger aufzunehmen.
Während der verwundete Ritter das Feld verließ, kamen Ausrufer nach vorn, um die Namen der nächsten
Wettkämpfer zu verkünden. Noch während sich der erste
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